Interview mit Dirk Heyartz

Vorsitzender des Bundeselternrats (BER), der Dachorganisation der Landeselternvertretungen in Deutschland

Dirk Heyartz, 56 Jahre alt, ist seit November 2023 Vorsitzender des Bundeselternrats (BER), der Dachorganisation der Landeselternvertretungen in Deutschland. Über seine Mitglieder vertritt der BER die Mütter und Väter von rund acht Millionen Kindern und Jugendlichen in allgemein- und berufsbildenden Schulen. Dirk Heyartz ist Vater von zwei Töchtern. Erfahrungen in der Elternarbeit hat er als Klassenpflegschafts- und als stellvertretender Stufenpflegschaftsvorsitzender gesammelt. Seit 2022 arbeitet Heyartz als Delegierter der Gymnasien und Vertreter von anderen Schulformen in NRW im Hauptausschuss des Bundeselternrates.

Herr Heyartz, der Bundeselternrat hat bereits vor zehn Jahren eine Resolution zum Thema Gewalt formuliert und festgestellt: "Alle Formen von Gewalt, sowohl physisch als auch psychisch, beeinträchtigen das Aufwachsen unserer Kinder in erheblichem Maße. Familien, Kitas und Schulen sollen gewaltfreie Räume sein. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Lernen und eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung." Wie kann der BER dieses Anliegen unterstützen?

Der BER unterstützt alle Initiativen, die darauf abzielen, unsere Schulen für unsere Kinder zu sicheren und lebenswerten Räumen zu machen. Aber nicht nur im BER sind wir aktiv – wir alle sind auch Eltern vor Ort, an den Schulen. Wir führen Gespräche, wir unterstützen Lehrkräfte und Schulleitungen, vermitteln Gespräche. Denn nur ein gutes Miteinander kann zum Erfolg führen.

Laut vielen Berichten nimmt insbesondere die psychische Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen zu. Expertinnen und Experten sehen als eine Ursache Polarisierung und Mobbing in den sozialen Medien. Können Sie das bestätigen und was können Eltern dagegen tun?

Tatsache ist, dass das, was früher mal als »Schulhofstreitigkeit« ausgetragen wurde, häufig in den sozialen Netzwerken stattfindet. Damit sind Konflikte auch nicht mehr auf den Schulhof beschränkt und möglicherweise bis zum nächsten Tag abgekühlt, sondern setzen sich pausenlos nach der Schule fort und schaukeln sich sogar noch hoch. Wir müssen unsere Kinder fit machen für diese digitale Welt – nur das Handy gut bedienen zu können, heißt nicht, dass die Jugendlichen auch sozial gut damit auskommen.

Ebenso müssen wir als Eltern den Kindern vorleben, dass das echte Leben außerhalb des Handys stattfindet. Wenn wir von den Kindern verantwortungsvollen Umgang mit dem Handy verlangen, müssen wir dieselben Maßstäbe an uns selbst anlegen.

Auch die Konflikte zwischen Schülern und Schülerinnen und den Lehrkräften steigen. Lehrende bemängeln insbesondere mangelnden Respekt der Schülerschaft und eine Verrohung der Kommunikation bzw. der Umgangsformen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Schule ist ein Spiegel der Gesellschaft, und wir erleben tagtäglich, dass der respektvolle Umgang miteinander erkämpft werden muss. Das ist kein Selbstläufer. Wir setzen uns intensiv für wertschätzenden Umgang miteinander ein, auch hier kann eine gute Kommunikation an den Schulen der Schlüssel sein.

Ist aus Ihrer Sicht mehr Schulsozialarbeit ein Ansatz für sicherere Schulen? Wie lauten Ihre Wünsche und Forderungen in Bezug auf ein gewaltfreies Lehren und Lernen?

Ja, wir setzen uns für multiprofessionelle Teams ein, um die Lehrkräfte an den Schulen zu unterstützen und mit der zunehmend heterogenen Schülerschaft umzugehen. Dazu gehören auch Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter. Unsere Forderungen sind ganz klar: Jede Unterrichtsstunde muss erteilt werden, wir brauchen mehr gut ausgebildete Lehrkräfte, aber auch Unterstützungsmechanismen und gute Umgebungen, damit gute Schule funktionieren kann. Bildung muss endlich wieder zum Hauptziel unsere Gesellschaft und auch der Politik werden, das wurde jahrelang verschlafen.

Auch die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern ist in der Außenwahrnehmung häufig konfliktträchtig. Man hat den Eindruck, jede Seite erwartet mehr von der anderen und es geht um Schuldzuweisungen. Dabei wäre es wichtig, gemeinsame Ziele gegenüber den Jugendlichen zu verfolgen. Wie geling dieser Schulterschluss besser?

Lehrkräfte und Eltern sollten einander auf Augenhöhe begegnen und die jeweiligen Expertisen nutzen – und auch darauf zurückgreifen. An den meisten Schule wird das bereits akzeptiert – eine enge Partnerschaft zwischen Eltern, Lehrkräften und Kindern. Gegenseitiges Verständnis ist das A und O. Wenn Probleme offen angesprochen werden, ist das meist schon der erste Schritt zu Lösung.

Alle sollten, wenn es zu Konflikten kommt, immer erst einmal fragen: Warum hat mein gegenüber so entschieden, wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?

Wenn das alle tun würden, wären wir schon ein gutes Stück weiter.

Lieber Herr Heyartz, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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