Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewegen sich auf innerbetrieblichen Verkehrswegen. Wenn man wissen möchte, welche Vorgaben und technischen Regeln für einen Verkehrsweg gelten, muss man eine grundsätzliche Betrachtung durchführen: Ist der Verkehrsweg Teil eines Arbeitsmittels oder Teil einer Arbeitsstätte:
Zwischen den Anforderungen an die Zugänge zu Anlagen und den anderen Verkehrswegen in einer Arbeitsstätte bestehen zum Teil deutliche Unterschiede, wobei in bestimmten Regeln mal der eine und mal der andere Rechtsbereich eine höhere Anforderung stellt. Es kann also nicht generell gesagt werden, dass die Anwendung eines Bereiches sicherer wäre.
Ein Verkehrsweg oder Zugang kann nur einem der beiden Rechtsbereiche zugeordnet werden, nicht erlaubt ist sich für eine konkrete Planung aus beiden Rechtsbereichen zu bedienen um damit Sonderlösungen zu schaffen.
Sowohl das Bauordnungsrecht als auch das Arbeitsschutzrecht stellen Anforderungen und Vorgaben an ein Gebäude. Wenn ein Gebäude eine Arbeitsstätte ist, dann sind neben der entsprechenden bundeslandspezifischen Bauordnung und ggf. Sonderbauordnungen oder Richtlinien auch die Arbeitsstättenverordnung und die zugehörigen technischen Regeln zu beachten. Anforderungen an Arbeitsstätten richten sich an den Arbeitgeber und sie müssen nicht in der Planung genehmigt werden. Bei einer Baugenehmigung durch das zuständige Bauamt werden die Anforderungen an Arbeitsstätten nicht abgeprüft. Deswegen kann es die Fälle geben, dass ein Gebäude genehmigt ist, aber die Punkte für Arbeitsstätten nicht berücksichtigt wurden. Im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wurde ein Rechtsgutachten erstellt, dass das Zusammenwirken der beiden Rechtsbereiche betrachtet. Das Gutachten kann auf der Internetseite der baua: kostenfrei heruntergeladen werden
Das Ergebnis ist vereinfacht ausgedrückt, dass beide Rechtsbereiche gleichwertig nebeneinander stehen, sie sich nicht widersprechen oder kollidieren, sondern gegenseitig ergänzen. Deshalb sollte bereits in der Planung berücksichtigt werden, wenn es sich um eine Arbeitsstätte handelt, denn Gestaltungen von Raumhöhen, Raumanordnungen, Raumgrößen, Verlauf von Verkehrswegen und Treppen lassen sich später nicht mehr oder nur mit sehr hohem (und meist unverhältnismäßigem) Aufwand wieder ändern.
Die beiden Rechtsbereiche kollidieren nicht, sondern sind gleichwertig anzuwenden und ergänzen einander. In der Praxis heißt dies konkret, dass die jeweils höhere Anforderung anzuwenden ist. Die höhere Anforderung kann sowohl aus dem Bauordnungsrecht als auch aus dem Arbeitsstättenrecht kommen.
Im Folgenden listen wir einige typische Beispiele auf (Liste ist nicht abschließend, Angaben müssen immer im konkreten Fall und Bundesland mit den geltenden Vorgaben abgestimmt werden):
Anforderungen nach Bauordnungen / Sonderbauverodnungen | Anforderungen nach Arbeitsstättenverordnung und technischen Regeln für Arbeitsstätten | Umzusetzen in einer Arbeitsstätte: Arbeitsstätte allgemein: |
Höhe von Absturzsicherungen an Ebenen, Treppen, Galerien usw.: bis 12 m Absturzhöhe 90 cm, darüber 110 cm Nach Schulbaurichtlinie immer mind. 110 cm | Höhe von Absturzsicherungen an Ebenen, Treppen, Galerien usw.: bis 12 m Absturzhöhe 100 cm, darüber 110 cm | Arbeitsstätte allgemein: bis 12 m Absturzhöhe 100 cm, darüber 110 cm In Schulen: 110 cm |
Flucht- und Rettungswege: Der zweite kann über Rettungsgeräte der Feuerwehr erfolgen | Vorhandensein des zweiten Fluchtweges nach Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, aber: Der zweite Fluchtweg muss selbstständig nutzbar sein | Der zweite Fluchtweg muss selbstständig nutzbar sein und kann auch als Notausstieg ausgebildet werden |
Treppen dürfen gewendelte Läufe haben | Treppen im ersten Fluchtweg müssen gerade Läufe haben, Treppen im Verlauf von zweiten Fluchtwegen dürfen gewendelte Läufe haben | Treppen im ersten Fluchtweg müssen gerade Läufe haben |
Treppen in Gebäuden nach Verkaufsstättenverordnung müssen auf beiden Seiten Handläufe haben | Ein beidseitiger Handlauf wird erst ab einer Treppenbreite von 150 cm gefordert | Handläufe auf beiden Seiten |
Eine Treppe ist ein fest mit dem Bauwerk verbundenes, unbewegbares Bauteil, das mindestens aus einem Treppenlauf besteht. Ein Treppenlauf ist die ununterbrochene Folge von mindestens drei Treppenstufen (drei Steigungen) zwischen zwei Ebenen. Die oberste Stufe eines Treppenlaufes kann auch Teil der Geschossdecke oder eines Zwischenpodestes sein.
Über eine Treppe spricht man also erst ab drei aufeinanderfolgenden Steigungen. Bei einer oder zwei Stufen bzw. Steigungen spricht man von "Ausgleichsstufen". Anmerkung: Ausgleichsstufen sind sowohl nach Bauordnungsrecht als auch nach Arbeitsstättenrecht in vielen Situationen nicht erlaubt.
Ja, es gibt einen Unterschied! Als Geländer bezeichnet man die Absturzsicherung, damit die Treppennutzenden nicht seitlich von der Treppe fallen können. Ein Handlauf ist ein griffsicheres Bauteil an dem die Treppennutzenden sich beim Begehen der Treppe festhalten können. Der Handlauf kann Teil eines Geländers sein und ist dann meist der obere Abschluss.
Ja, eine Treppe muss immer einen Handlauf haben. Gemäß der Definition ist eine Treppe mindestens ein Treppenlauf aus mindestens drei Stufen (drei Steigungen). Das heißt auch, dass ab drei Steigungen ein Handlauf vorhanden sein muss.
Zwei Steigungen sind zwei Ausgleichsstufen, die nach den Vorgaben keinen Handlauf brauchen. Aus sicherheitstechnischer Sicht ist es trotzdem sinnvoll auch an Ausgleichstufen einen Handlauf zu installieren.
Nein, nicht jede Treppe braucht ein Geländer. Achtung: Das Geländer ist nicht mit dem Handlauf zu verwechseln, den jede Treppe haben muss. Treppen müssen in den Bereichen mit Absturzgefährdung eine Absturzsicherung haben. Eine Treppe die beispielsweise zwischen zwei Wänden verläuft, die als Absturzsicherung dienen, braucht kein Geländer. Absturzstellen sind immer Absturzhöhen über 1 m, je nach Gefährdungsbeurteilung und Situation auch schon bei niedrigeren Höhen (siehe dazu ASR A2.1). Aus diesem Grund ist es erlaubt, dass bei manchen Gestaltungslösungen das Geländer erst etwa bei der 5 Stufe anfängt.
Nein. Nach der ASR A2.3 "Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan" ist ein Fluchtweg definiert als „Verkehrsweg an den besondere Anforderungen zu stellen sind“. Das bedeutet, dass Treppen im Verlauf von Fluchtwegen eben auch immer Verkehrswege in einer Arbeitsstätte sind. Damit sind auch die Anforderungen an Treppen aus der ASR A1.8 einzuhalten, gerade was die Bemessung der Stufen, das Steigungsverhältnis, Geländer, Handläufe, Zwischenpodeste usw. betrifft. Ausnahmen sind explizit geregelt, z.B. dass Treppen im Verlauf von zweiten Fluchtwegen gewendelte Treppenläufe haben dürfen.
Gerade im Fluchtfall, wenn viele Menschen auf einmal und möglichst schnell in den gesicherten Bereich gelangen wollen, muss eine Treppe möglichst leicht und sicher begehbar sein.
Diese Fragestellung ist einer der Punkte, in denen das Arbeitsstättenrecht mit der ASR A1.8 Verkehrswege eine Konkretisierung des Bauordnungsrechts vornimmt und durch die Bemaßung den Steigungswinkel dieser Treppen zwischen ca. 25° und ca. 30° festlegt. Hier besteht ein Unterschied zu anderen gewerblichen Bauten und den allgemeinen Regelungen für Treppen (z.B. nach DIN 18065). Der Hintergrund ist, dass in diesen Gebäuden eine andere Personengruppe zu erwarten ist. Während in den „gewerblichen Bauten“ typischerweise mit Personen zwischen 16 und 67 Jahren zu rechnen ist, sind in Versammlungsstätten, Verwaltungsgebäuden der öffentlichen Verwaltung, Schulen und Kindertageseinrichtungen zusätzlich Kinder, Kleinkindern und ältere Menschen zu erwarten. Für diese erweiterte Personengruppe sind flachere Treppen leichter und sicherer zu begehen, was sowohl die normale Nutzung vereinfacht als auch im Fluchtfalle eine sicherere und schnellere Entfluchtung verspricht.
Es gibt neben der Schrittmaßregel noch zwei weitere Regeln für die Gestaltung von Treppen (Sicherheits- und Bequemlichkeitsregel), die genau bei einem Steigungs-/Auftrittsverhältnis von 17 cm / 29 cm ihr Optimum einhalten. Alle Regeln als Anforderung zu definieren würde den Gestaltungsspielraum stark einschränken, weswegen darauf verzichtet wird. Vielmehr ist diese Aussage als Planungsziel zu verstehen, das bei der Gestaltung von Treppen zu gut wie möglich eingehalten werden sollte. Die Praxis sieht allerdings oft so aus, dass direkt auf die zulässigen Grenzen geplant wird, um möglichst Platz und umbauten Raum einzusparen.
Ab einer Höhe von 2 mm gelten Stufenkantenzusätze als Stolperstelle.
Auch bei dieser Frage greift das Zusammenwirken von Bauordnungsrecht und Arbeitsstättenrecht. In diesem Fall hat das Bauordnungsrecht die „schärferen“ Anforderungen. DIN 18065 fordert für notwendige Treppen und Gebäude im Allgemeinen (also Nicht-Wohngebäude und Wohngebäude mit mehr als zwei Wohnungen) dass Handläufe durchgängig ausgeführt sein sollen. Handelt es sich bei einer Treppe in einer Arbeitsstätte um eine baurechtlich-notwendige Treppe, müssen die Handläufe durchgängig ausgeführt werden. Dies bedeutet auch über Zwischenpodeste hinweg geführt werden.
Die Anforderung in der ASR A1.8 ist zur Zeit nicht eindeutig definiert, denn hier ist davon die Rede, dass der Handlauf „über den gesamten Treppenlauf“ geführt werden muss. Wenn nicht obige Regelung greift, bedeutet dies, dass der Handlauf nur im Bereich der Steigungen, also am Treppenlauf durchgehend sein muss und in den Übergängen zu Zwischenpodesten und Geschossdecken unterbrochen sein darf.
Es geht in Punkt 4.3 der ASR A1.8 um die Berechnung der Breite von Wegen für den Fahrzeugverkehr. In Absatz (4) ist geregelt, dass die Summe aus doppeltem Randzuschlag und Begegnungszuschlag bei einer geringen Anzahl von Verkehrsbegegnungen auf 1,10 m reduziert werden kann. Dies ist bei 10 oder weniger Verkehrsbegegnungen pro Stunde der Fall. Als Verkehrsbegegnungen zählen sowohl Fahrzeug-Fahrzeug, als auch Fahrzeug-Fußgänger-Begegnungen. Dieser Absatz gilt sowohl für den reinen Fahrzeugverkehr (Reduzierung von 1,4 m auf 1,10 m) als auch für den kombinierten Fußgänger- und Fahrzeugverkehr (Reduzierung von 1,9 m auf 1,10 m), weil die Begegnung von zwei Fahrzeugen und einem Fußgänger zur gleichen Zeit unwahrscheinlicher ist. Bei Einbahnstraßenverkehr darf keine Reduzierung der Randzuschläge erfolgen.
Die Normenreihe DIN EN ISO 14122 ist zunächst ein Standard zur Konkretisierung der Sicherheitsanforderungen aus der Maschinenrichtlinie und findet deswegen bei Zugängen zu maschinellen Anlagen ihre Anwendung. Sie ist eine sogenannte Typ-B-Norm und beschreibt Sicherheitsgrundanforderungen, die allgemein gehalten und für viele Typen von Maschinen und Anlagen passend sind. Die Zugänge und Arbeitsbühnen sind dann Teil der Maschine und müssen in der Sicherheitsbetrachtung im Rahmen der Risikobeurteilung mit betrachtet werden. Wird die Norm angewendet kann der Hersteller davon ausgehen, dass die grundlegenden Sicherheitsanforderungen erfüllt sind, da die Normenreihe als harmonisierte Normen diese Vermutungswirkung auslöst.
Gibt es für einen konkreten Maschinentyp eine C-Norm, die konkrete Produktvorgaben enthält, so sind die Normersteller angehalten die Normenreihe DIN EN ISO 14122 anzuwenden, können aber davon abweichen und andere konkrete Anforderungen stellen. Diese konkreteren Vorgaben sind dann vorrangig zu beachten.
Theoretisch kann die Normenreihe DIN EN ISO 14122 auch für andere Anwendungsbereiche benutzt werden, wenn es sich nicht um maschinelle Anlagen, sondern andere Produkte handelt für die es keine eigenen Regelungen gibt (so die Aussage in der Norm selbst).
Harmonisierte Normen zur Maschinenrichtlinie müssen nicht verpflichtend angewendet werden. Wird die Norm allerdings angewendet, löst dies die Vermutungswirkung aus und weitere Betrachtungen sind damit nicht mehr nötig. Der Hersteller kann prinzipiell von den Vorgaben der Norm abweichen und die Sicherheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie auf andere Weise erfüllen. Den Nachweis, dass die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind, muss dann der Hersteller in seiner Risikobeurteilung nachweisen und im Rahmen der Konformitätserklärung die Verantwortung dafür übernehmen.
Unabhängig von den allgemeingültigen Regeln sind die Absprachen und Vereinbarungen zwischen Hersteller und Kunden über eine Normenanwendung zu beachten. Selbst wenn ein Kunde die Anwendung einer Norm nicht fordert, entbindet dies den Hersteller nicht von der Pflicht ein sicheres Produkt auf dem Markt bereitzustellen.
Nach DIN EN ISO sind Treppen eine "Aufeinanderfolge waagerechter Ebenen — Stufen und Podeste — die es erlauben, zu Fuß von einer zur anderen Ebene zu gelangen", wobei ein Treppenlauf die "ununterbrochene Folge von Stufen zwischen zwei Podesten" ist und ein Podest der "waagerechte Treppenabsatz am Ende eines Treppenlaufs". Dies bedeutet, dass die Norm bereits ab 2 Steigungen, egal ob auf eine Stufe oder ein Podest, von einer Treppe spricht. Nach unserem Ermessen ist nicht eindeutig, ob der Absatz / das Podest am Austritt noch mit zur Treppe zählt. Wir zählen es nicht dazu, da es auch Teil der Geschossdecke/Arbeitsbühne sein kann und dadurch bestimmte Anforderungen schwierig bis nicht umzusetzen wären.
Bei Arbeitsbühnen, Laufstegen und Treppenpodesten, also bei allen horizontalen Bauteilen mit Absturzgefährdung lässt die Normenreihe Handlaufunterbrechungen zu und definiert eindeutig verschiedene Gestaltungslösungen (Punkt 7.1 der DIN EN ISO 14122-3).
Einen Gliederungspunkt danach werden die Anforderungen an Geländer und Handläufe für Treppen definiert: Demnach müssen die Handläufe fortlaufend sein und gemäß Bild 7 fortlaufend an das horizontale Geländer angeschlossen sein.
Nach unserem Ermessen besteht hier ein Widerspruch in der Norm, insbesondere in Bezug auf Handläufe bei Treppenpodesten: Wird ein Zwischenpodest zwischen zwei Treppenläufe eingebaut, gehört das Treppenpodest zur Treppe und muss einen fortlaufenden Handlauf haben, das Treppenpodest an sich ist aber zuvor so geregelt, dass der Handlauf unterbrochen werden darf.
Eindeutig ist, dass der Handlauf im Bereich des Treppenlaufes fortlaufend sein soll.
Eine Interpretation durch den zuständigen Normausschuss gibt es leider nicht. Wir sind bemüht durch den Ausschuss eine Klärung herbeizuführen.
Unsere Interpretation des Standards ist die, dass im Bereich eines Treppenlaufes und in den Übergängen zu Podesten der Handlauf durchgehend ausgeführt sein muss und im horizontalen Bereich (Treppenpodest) unterbrochen sein darf.
Ob ein Zwischenpodest einzuplanen ist hängt von der Höhe zwischen zwei Ebenen ab, die mit der Treppe überwunden werden soll. Bis maximal 4 Meter Höhenunterschied können nach DIN EN ISO 14122-3 mit einem einzelnen Treppenlauf (einläufige Treppe) gestaltet werden. Sollen größere Höhenunterschiede über 4 Metern überwunden werden, ist eine mehrläufige Treppe zu planen, deren Treppenläufe jeweils maximal eine Höhe von 3 Metern überwinden.
Was dabei als „Ebene“ zählt ist in der Norm nicht eineindeutig geregelt:
Damit ergeben sich folgende Umsetzungsmöglichkeiten:
Höhenunterschied zwischen Ebenen | Umsetzung durch: |
bis 4 Meter | einläufige Treppe |
4 bis 6 Meter | zweiläufige Treppe mit einem Zwischenpodest |
6 bis 8 Meter | dreiläufige Treppe mit zwei Zwischenpodesten oder zweiläufige Treppe (3 m < h < 4 m) mit Laufsteg (l > 4 m) |
8 bis 9 Meter | dreiläufige Treppe mit zwei Zwischenpodesten |
9 bis 12 Meter | vierläufige Treppe mit drei Zwischenpodesten oder dreiläufige Treppe (3 m < h < 4 m) mit zwei Laufstegen (l > 4 m) |