Innenraumallergene wie Milben oder Tierhaare sind vor allem im häuslichen Bereich zu finden. Sie können aber auch am Arbeitsplatz vorkommen und bei sensibilisierten Beschäftigten Beschwerden auslösen oder verschlimmern. Mit der Studie „Haushaltsreferenzen“ will das IPA die Allergenkonzentrationen von Personen in ihrem häuslichen Umfeld erfassen. Die so gewonnenen Daten sollen helfen, die Exposition gegenüber typischen Innenraumallergenen an Arbeitsplätzen zu beurteilen.
Allergien haben in den letzten Jahrzehnten weltweit zugenommen. Ungefähr 25 % der deutschen Bevölkerung sind davon betroffen und etwa doppelt so viele weisen eine „Sensibilisierung“ auf (Klimek et al. 2019). Das heißt, sie tragen IgE-Antikörper gegen typische Umweltallergene in sich, die bei späterem Kontakt zu allergischen Symptomen führen können. Neben den in der Außenluft vorhandenen Pollen verschiedener Pflanzen sind Innenraumallergene von Milben oder Haustieren die häufigsten Auslöser von allergischen Reaktionen. Die Prävalenz der Sensibilisierungen bei Erwachsenen in Deutschland liegt bei circa jeweils 19 % gegen Baum- und Gräserpollen, 16 % gegen Hausstaubmilben und 10 % gegen tierische Hautschuppen (Haftenberger et al. 2013).
In den letzten Jahrzehnten wurden das Vorkommen und die Verteilung einiger Allergene in Innenräumen intensiv untersucht. Allergene von verschiedenen Milbenarten sowie von felltragenden Tieren werden hauptsächlich mit dem häuslichen Umfeld in Zusammenhang gebracht (Salo et al. 2018). Diese sind aber auch an zahlreichen Arbeitsplätzen zu finden, auch an denen, wo sie nicht direkt vermutet werden. So findet man Katzen- und Hundeallergene in Kindergärten, Schulen, öffentlichen Gebäuden und in verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln, auch wenn sich diese Tiere dort nie aufgehalten haben (Zahradnik & Raulf 2014, 2017). Zum größten Teil werden die Allergene durch Kleidung von Beschäftigten, Besuchern oder Kunden in diese Bereiche getragen. Dort können sie sich in Teppichen, Polstermöbeln und Matratzen anlagern und bei Staubaufwirbelung zu teils auch hohen Allergenbelastungen führen. Milben dagegen gehören zu den natürlichen Bewohnern von Innenräumen. Sie ernähren sich vorwiegend von menschlichen und tierischen Hautschuppen, Pollen, Mikroorganismen und Pflanzenteilen wie Heu, Stroh, Getreide oder Trockenfrüchten. Milben gedeihen am besten bei Temperaturen um 25 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit. Der Milbenkot und die abgestorbenen Milbenkörper trocknen mit der Zeit aus und zerfallen zu Feinstaub, der in die Atemluft gelangen kann. Da es an vielen Arbeitsplätzen zu größeren Luftbewegungen kommt, kann die Belastung durch eingeatmete Milbenallergene dort unter Umständen höher sein als im häuslichen Bereich (Sander et al. 2013).
Im Gegensatz zu vielen toxischen oder krebserregenden Substanzen gibt es für Allergene keine Arbeitsplatzgrenzwerte. Allergenkonzentrationen in der Atemluft, die auf ein erhöhtes Risiko zu erkranken hindeuten, sind für Umweltallergene unbekannt. Die Ableitung solcher gesundheitsbasierten „Risiko-Levels“ ist für Allergene schwierig, da die Immunreaktivität auf das gleiche Allergen zwischen einzelnen Personen stark schwanken kann und vor allem von der individuellen Veranlagung abhängt. Das Minimierungsgebot für einen effektiven Arbeitsschutz gilt deshalb als zentrale Maßgabe. Für eine Gefährdungsbeurteilung und bei Begutachtungsfällen im Feststellungsverfahren von Berufskrankheiten ist darüber hinaus eine Einschätzung der Exposition am Arbeitsplatz gefordert. Aber wie entscheidet man, ob die Allergenexposition am Arbeitsplatz erhöht ist? Bislang ist die beste Herangehensweise der Vergleich mit der häuslichen Allergenexposition. Dies gilt insbesondere bei weit verbreiteten Innenraumallergenen. Beispielsweise waren die Hunde- und Katzenallergenkonzentrationen in Kindertagesstätten fast immer um ein Vielfaches höher als in Wohnungen ohne diese Tiere, aber etwa um den Faktor 10 niedriger als in Wohnungen mit diesen Haustieren (Sander et al. 2018). Ein anderes Beispiel für einen Arbeitsplatz mit besonders hoher Allergenbelastung stellt die Altkleidersortierung dar. Dort wurden mehr als 50-fach höhere Milbenallergenkonzentrationen als in normalen Haushalten gefunden. Die Belastung mit Katzenallergen war 5-fach höher als in Haushalten mit Katzen (Sander et al. 2019).
Es gibt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die quantitative Messung von Allergenen im häuslichen Umfeld. Die meisten Studien untersuchten allerdings die Allergenkonzentrationen in abgesaugten Fußboden- oder Matratzenstäuben oder in abgesetzten Stäuben auf elektrostatischen Tüchern. Da die Inhalation von Allergenen der wichtigste Expositionsweg für die Entstehung von allergischen Symptomen ist, sollte die Bewertung der Allergenexposition idealerweise auf der Messung von Allergenkonzentrationen in der Luft beruhen (Raulf et al. 2014). Für die Gefährdungsbeurteilung durch Allergene am Arbeitsplatz in Deutschland werden standardmäßig Probenahmen des einatembaren Staubs (E-Staub) durchgeführt. Veröffentlichte Daten über Allergenmessungen in Luftstäuben aus dem häuslichen Bereich sind dagegen sehr selten und stammen häufig aus den 90er Jahren. Außerdem wurden die Stäube mit anderen Messverfahren gesammelt und/oder die Allergene mit anderen Methoden quantifiziert. Deshalb können diese Messergebnisse nicht zum Vergleich mit aktuellen Arbeitsplatzmessungen herangezogen werden. Aus diesem Grund startete das Kompetenz-Zentrum Allergologie/Immunologie des IPA im April 2024 die Studie „Haushaltsreferenzen für Innenraumallergene“ mit dem Ziel, eine Referenzdatenbasis zur Beurteilung der Allergenexposition am Arbeitsplatz zu erstellen.
Hauptziel der Studie „Haushaltsreferenzen“ ist die Allergenmessung in luftgetragenen Stäuben aus privaten Haushalten, die von den Studienteilnehmenden bei der Hausarbeit wie Aufräum- oder Putzarbeiten gesammelt werden. Der Staub wird sowohl stationär im Wohn- und Schlafzimmer (Raumbelastung) als auch personengetragen bei der Hausarbeit (Personenbelastung) mit unterschiedlichen Methoden parallel gesammelt:
Die Sammeldauer für jedes Verfahren beträgt zwei Stunden. Beide alternativen Methoden (Apollo und Nasenfilter) sollen anhand der GSP-Sammlung („Gold-Standard“) validiert werden. In den gesammelten Proben werden Allergene quantifiziert, die von verschiedenen Milben, felltragenden Haus-, Nutz- und Labortieren und Schimmelpilzen stammen.
Im Rahmen der Studie werden auch verschiedene Daten zum Haushalt per Fragebogen erfasst:
Diese Daten werden in pseudonymisierter Form erhoben und an das Kompetenz-Zentrum Allergologie/Immunologie zur Auswertung weitergeleitet.
Die Staubmessungen sollen vor allem von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Messtechnischen Dienste der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen beziehungsweise Beschäftigten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung durchgeführt werden.
Der zeitliche Aufwand bei Studienteilnahme beträgt circa vier Stunden. Bei vollständiger Sammlung und Rücksendung des Pakets mit Proben, Fragebögen und Sammelequipment erhalten die Teilnehmenden eine Aufwandsentschädigung.
Allergien nehmen weltweit zu. Für Allergene gibt es keine Grenzwerte.
Um Allergenbelastungen an Arbeitsplätzen besser beurteilen zu können, ist es notwendig zu wissen, welche Allergene im häuslichen Bereich normalerweise vorkommen.
In der Studie des IPA sollen solche Referenzwerte ermittelt werden. Diese können dann bei der Beurteilung von Arbeitsplätzen im Hinblick auf Präventionsmaßnahmen und auch im Rahmen von Berufskrankheitenfeststellungsverfahren angewendet werden.
Dr. Ingrid Sander
Dipl.-Biol. Eva Zahradnik
IPA
Bei Interesse an der Teilnahme können sich Freiwillige an die Treuhänderin der Studie Frau Helga Hut, wenden:
E-Mail: Studie-Haushaltsreferenzen@dguv.de
Betreff „Haushaltsreferenzen“
Tel: 030/13001-4301
Alle Studieninformationen können hier eingesehen werden.
Haftenberger M, Laußmann D, Ellert U, Kalcklösch M, Langen U, Schlaud M et al. Prävalenz von Sensibilisierungen gegen Inhalations- und Nahrungsmittelallergene. Bundesgesundheitsbl. 2013; 56: 687–697. DOI: 10.1007/s00103-012-1658-1.
Klimek L, Vogelberg C, Werfel T(Hg.) Weißbuch Allergie in Deutschland. 4. akt. Auflage 2019. Berlin: Springer Medizin Verlag GmbH; Springer.
Raulf M, Buters J, Chapman M, Cecchi L, Blay F de, Doekes G et al. Monitoring of occupational and environmental aeroallergens - EAACI Position Paper. Concerted action of the EAACI IG Occupational Allergy and Aerobiology & Air Pollution. Allergy 2014; 69: 1280–1299. DOI: 10.1111/all.12456.
Salo PM, Wilkerson J, Rose KM, Cohn RD, Calatroni A, Mitchel, HE et al. Bedroom allergen exposures in US households. J Allergy Clin Immunol 2018; 141: 1870-1879.e14. DOI: 10.1016/j.jaci.2017.08.033.
Sander I, Lotz A, Neumann, H D, Czibor C, Flagge A, Zahradnik E, Raulf M. Indoor allergen levels in settled airborne dust are higher in day-care centers than at home. Allergy 2018; 73: 1263–1275. DOI: 10.1111/all.13371.
Sander I, Mayer S, Brochwitz C, Czibor C, Brüning T, Raulf M. Gibt es eine erhöhte Allergenexposition bei der Alttextiliensortierung. Allergo J 2019; 28, 74.
Sander I, Zahradnik E, Kraus G, Mayer S, Neumann H, Fleischer C et al. Neues Messverfahren zum Nachweis von Hausmilbenantigenen auch in Luftstaubproben aus Innenräumen von Wohnungen und Arbeitsplätzen. In: Gefahrstoffe Reinhaltung der Luft 2013; 73: 281–284.
Zahradnik E, Raulf M. Animal allergens and their presence in the environment. Front Immunol 2014; 5: 76. DOI: 10.3389/fimmu.2014.00076.
Zahradnik, E.; Raulf, M. Respiratory Allergens from Furred Mammals: Environmental and Occupational Exposure. Vet Sciences 2017; 4 DOI: 10.3390/vetsci4030038.