Schweißrauche sind für den Menschen krebserregend. Diese Einstufung wurde 2018 durch die Internationale Krebsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegt. Seitdem besteht ein erhöhter Handlungsdruck, die Arbeitsplatzgrenzwerte einzuhalten und Mitarbeitende gezielt vor Schweißrauchen zu schützen. Ziel des Kooperationsprojektes InterWeld ist es, in Betrieben wirksame und nachhaltige Präventionsmaßnahmen zu definieren.
Die Studie InterWeld von IPA, der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) und dem Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) untersucht, welche Maßnahmen an MIG-/MAG-Handschweißarbeitsplätzen die Exposition, also das Einwirken von Schweißrauchen auf den Organismus von Mitarbeitenden, nachweislich verringern können. Um solche effektiven Maßnahmen zu definieren, werden wiederholte Gefahrstoffmessungen an Arbeitsplätzen der Unternehmen durchgeführt, die an der Studie teilnehmen. Auf freiwilliger Basis werden zusätzlich Blut- und Urinproben von Beschäftigten im Rahmen eines Biomonitorings untersucht.
Während des Projektes werden deutschlandweit in 15 Betrieben insgesamt drei Mal zu unterschiedlichen Zeitpunkten Beprobungen durchgeführt. Unter ihnen sind Anlagenbauer von zum Beispiel Klär- und Reinigungsanlagen, Tanks, Stahlbauer, unter anderem von Baugerüsten und Hallen sowie Fahrzeughersteller.
Beim ersten Firmenbesuch werden Schweißarbeitsplätze identifiziert, die sich für die Studie eignen. Es folgen die Basismessung, die zweite Messung zur Wirkungskontrolle und die dritte Messung, die zeigen soll, ob die Wirkung der Maßnahme von Dauer ist. Bei jedem dieser Termine werden für mindestens zwei Stunden Gefahrstoffmessungen an den ausgewählten Schweißarbeitsplätzen vorgenommen. „Zusätzlich zu der Basismessung der Luft machen wir ein Biomonitoring“, sagt Dr. Martin Lehnert, Studienleiter seitens des IPA. „Dabei untersuchen wir Blut- und Urinproben der teilnehmenden Schweißer. Das ist notwendig, weil man bestimmte Metalle, die Inhaltsstoffe des Schweißrauches sind, über die Aufnahme und Ausscheidung von Körperflüssigkeiten nachweisen und ihre dortige Konzentration feststellen kann.“ Das Ergebnis des Biomonitorings weist auf die Exposition der Teilnehmenden hin. Bei der Basismessung wird die Ausgangssituation am Arbeitsplatz anhand von Ergebnissen aus dem Biomonitoring und Messdaten der Luft dokumentiert. Die Gefahrstoffmessungen an den Arbeitsplätzen nimmt im Rahmen der Kooperation der messtechnische Dienst der BGHM vor. „In nahezu jedem metallverarbeitenden Betrieb, der bei uns versichert ist, wird geschweißt“, sagt Dr. Demian Langen, Fachreferent für Schweißverfahren bei der BGHM. „Wir sind sehr in diesem Projekt engagiert, weil das Thema unsere Betriebe betrifft und es unmittelbar um die Gesundheit unserer Versicherten geht. Wir sehen auch, welche Herausforderung es für die Betriebe darstellen kann, geltende Grenzwerte einzuhalten.“
Ziel der Basismessung ist es, in einem Gefahrstoff-Messprogramm die inhalative Belastung durch Schweißrauche und die darin enthaltenen Komponenten zu messen. Die zu untersuchenden Gefahrstoffe sind hauptsächlich Chrom, Mangan und Nickel. „Chrom und Nickel sind in spezifischen Oxidationsstufen als krebserregend eingestuft“, erklärt Lehnert. Für die Gefahrstoffmessung der Luft wird eine personengetragene Messung vorgenommen (→ Abb. 1). Dabei werden bei den teilnehmenden Schweißern insgesamt drei Pumpen auf dem Rücken befestigt. Am Revers werden die Probenträger montiert. Dort wird die Luft im Atembereich des Schweißers mit einem Volumenstrom von 10 Litern pro Minute gesammelt. Eine der eingesetzten Pumpen ist für gröberen Staub eingerichtet. Eine zweite nimmt feineren Staub auf, der bis in die tiefen Lungenareale eindringt. Dieser sogenannte alveolengängige Metallstaub verbleibt zum Teil in der Lunge und kann zu schweren Lungenerkrankungen führen. Zusätzlich wird anhand einer dritten Pumpe sechswertiges Chrom aufgenommen und gemessen. Diese krebserregende Form des Chroms kann bei der Verarbeitung von Edelstahl ebenfalls im Schweißrauch enthalten sein. „Die personengetragene Messung wird über zwei Stunden vorgenommen. Die belegten Probenträger werden im IFA gewogen und chemisch analysiert, um die Partikel- und Metallkonzentrationen in der Luft im Atembereich des Schweißers zu bestimmen“, so Lehnert. In diesen zwei Stunden ist der Schweißer an seinem Arbeitsplatz und verrichtet für ihn typische Schweißaufgaben. „Wir bemühen uns um repräsentative Messungen, die die Exposition der Schweißer im Arbeitsalltag widerspiegeln.“
Zusätzlich zu der beschriebenen, personengetragenen Messung werden auch in drei Metern Entfernung vom Arbeitsplatz auf einem Stativ Proben gesammelt (→ Abb. 2). „Mit dieser stationären Messung wollen wir die Hintergrundbelastung erfassen. So soll festgestellt werden, inwiefern auch Beschäftigte exponiert sind, die nicht selbst schweißen, aber während der Tätigkeit im nahen Umfeld des Schweißers in der Halle arbeiten“, erklärt Martin Lehnert. Diese sogenannten Bystander sind in der Regel schlechter geschützt als der Schweißer selbst, können aber der gesundheitsschädlichen Belastung ebenfalls ausgesetzt sein.
Um die Vergleichbarkeit zwischen den Messungen zu gewährleisten, werden zudem weitere Faktoren betrachtet: „Neben der Messung der Gefahrstoffexposition und dem Biomonitoring nehmen wir auch eine Liste von Determinanten und relevanten Randbedingungen auf“, erklärt Demian Langen. Das bedeutet, es werden nun erstmalig auch zusätzliche Einflussfaktoren auf den Schweißprozess, genauer gesagt auf die Emission des Prozesses und die Exposition, dokumentiert. Dies geschieht über von der BGHM zur Verfügung gestellte Messsysteme zur Schweißdatenerfassung. Sie dokumentieren Parameter, die man bislang in den Gefahrstoffmessungen nicht festgehalten hat. „Mit dem System zeichnen wir beispielweise Strom, Spannung, Drahtvorschubgeschwindigkeit und Lichtbogenbrenndauer auf“, so Langen. Insbesondere da die drei Firmenbesuche und somit die Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gemacht werden, müssen wir davon ausgehen, dass zum Beispiel die Lichtbogenbrenndauer nicht immer identisch ist. „Um einen Vergleich der Messwerte aus den drei Gefahrstoffmessungen zu ermöglichen, ist zum Beispiel die Kenntnis darüber wichtig, wie lange in dem Fall der Lichtbogen als Emissionsquelle gebrannt hat. Wenn er in der einen Messung länger und in der anderen kürzer aktiv war, hat das einen wesentlichen Einfluss auf die Exposition der Schweißer.“ Ohne die Berücksichtigung dieser Einflussfaktoren könnten die Messungen aus den drei unterschiedlichen Terminen kaum miteinander verglichen werden.
Neben den Messungen und Probenentnahmen werden die Arbeitsplätze auch in Hinblick auf mögliche Maßnahmen zur Minderung der Schweißrauche begutachtet. „Wir fangen dann schon damit an, gemeinsam mit dem Unternehmen darüber nachzudenken, welche Maßnahmen möglich sein könnten“, so Lehnert. „Nach der Basismessung wissen wir konkret, abgeleitet aus den Messberichten, welche Bedingungen an den Arbeitsplätzen existieren “, so Langen. Was die Maßnahmen angeht, beginnt die eigentliche Arbeit zu diesem Zeitpunkt: Nach Abschluss der Basismessung werden für jeden Betrieb sogenannte Interventionsteams gebildet. Sie setzen sich aus Anwendungsbetreuenden beziehungsweise Experten und Expertinnen seitens der Hersteller und Lieferanten von Schweißprodukten sowie Verantwortlichen im Betrieb zusammen. Diese sind Abteilungsleitende, Schweißfachleute, Sicherheitsfachkräfte und Schweißaufsichtspersonen und natürlich die Schweißer selbst. „Wir als Forschungsteam des IPA sind ebenfalls dabei und wirken auf die Umsetzung der Anforderungen der Studie hin“, sagt Lehnert.
Die Interventionsteams prüfen, welche Maßnahmen nun den Schweißprozess in Hinblick auf eine geringere Emission an Schweißrauchen positiv beeinflussen können. „In der Regel haben wir in den Betrieben spezifische Hersteller und Lieferanten, die sich mit ihren Produkten und Prozessen sehr gut auskennen“, sagt Demian Langen. „Gerne gewinnen wir genau diese Experten für das Interventionsteam. So konnte beispielweise ein Gaslieferant einen Schweißworkshop im Betrieb organisieren. Mit dem Lieferanten fand eine Auswahl möglicher alternativer Schutzgase statt, die er für Vorversuche im Unternehmen mitbrachte. So konnten die Schweißer verschiedene Schutzgase nutzen und mit fachlicher Unterstützung durch einen Schweißlehrer Probe-Schweißungen durchführen.“ In anderen Fällen kamen Experten und Anwendungsbetreuer der Schweißstromquelle hinzu. „Solche Fachpersonen vom Hersteller können am besten sagen, welcher Prozess beziehungsweise welche Prozessregelvariante geeignet ist, um die Entstehung von gesundheitsschädlichen Schweißrauchen zu verringern“, sagt Demian Langen. Da viele Eingriffe in den bestehenden Schweißprozess und die Arbeitsabläufe auch die Qualität der Schweißungen beeinflussen können, müssen immer auch die Anforderungen an das Produkt und technische Regelwerke berücksichtigt werden, betont er.
Die Interventionsteams in den jeweiligen Betrieben sollten drei bis sechs Monate nach der Basismessung zu einem Maßnahmenvorschlag gekommen sein. Dabei kann es sich auch um eine Liste mehrerer Änderungen im Schweißprozess handeln, die dann stufenweise umgesetzt werden müssen. Der gemessene Effekt soll nämlich jeweils einer konkreten Maßnahme zugeordnet werden können. Derzeit wird in fast allen an der Studie beteiligten Betrieben an der Umsetzung der Interventionen gearbeitet, sodass erste Wirkungskontrollen anstehen und bereits Termine vereinbart werden konnten. Eine erneute Gefahrstoffmessung und ein weiteres Biomonitoring geben dann Aufschluss darüber, ob die umgesetzten Maßnahmen in den Betrieben zu einer Verringerung der Schweißrauchexposition bei den Mitarbeitenden geführt haben.
In der Studie zeigt sich, dass die Senkung der Schweißrauchexposition am Arbeitsplatz sehr komplex aber möglich ist. Durch das Zusammenspiel von Unternehmen, Unfallversicherungsträgern und Wissenschaft können wichtige Fortschritte erreicht werden. Die Ergebnisse erhöhen die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten an und in der Umgebung von Schweißarbeitsplätzen.
MAG/MIG Schweißen
MAG- und MIG-Schweißen sind sehr häufig angewandte Lichtbogenschweißverfahren, bei denen unterschiedliche Gase zum Einsatz kommen.
MAG steht für “Metallschweißen mit aktiven Gasen”. Bei dem Schutzgas handelt es sich meist um ein Gemisch aus Argon, Kohlenstoffdioxid und/oder Sauerstoff. Dieses verhindert, dass Sauerstoff in das Werkstück eindringt. MIG bedeutet “Metallschweißen mit inerten, also inaktiven, Gasen”. Hierbei wird als Schutzgas reines Argon, reines Helium oder ein Gemisch aus beiden verwendet. Im Gegensatz zum Aktivgas reagiert das inerte Gas nicht mit den Grund und Zusatzwerkstoffen und erlaubt daher den Einsatz von sehr hohen Temperaturen.
Autorin
Nina Bürger
IPA
Fachliche Ansprechperson
Dr. Martin Lehnert
IPA