IPA Journal 03/2024

Diagnostik von seltenen Allergenen und Berufsallergenen

Berufsbedingte Allergien gehören zu den häufigsten Berufskrankheiten. Testallergene sind entscheidend, um allergische Erkrankungen früh zu erkennen, ihr Fortschreiten zu verhindern und Präventionsmaßnahmen einzuleiten. Zwei Ausgaben der Zeitschrift „Allergologie“ beschäftigen sich mit den Herausforderungen der modernen Allergiediagnostik, insbesondere bei der Diagnose seltener und berufsbedingter Allergien.

Hintergrund

Seit Jahren gehören berufsbezogene Allergien insbesondere der Atemwege zu den am häufigsten angezeigten Berufskrankheiten. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass circa ein Drittel der angezeigten Hautkrankheiten auch allergisch verursacht werden.

Testallergene zur In-vivo-Diagnostik sind Basisinstrumente für den Nachweis von Typ I- und Typ IV-Allergien. Der Goldstandard für die Diagnose von Typ IV-Allergien ist dabei der Epikutantest. Dabei werden die zu testenden Kontaktallergene auf die Haut des Rückens aufgetragen und nach einigen Tagen die Hautreaktionen abgelesen. Für den Nachweis einer Typ I-Allergie wird in der Regel der Pricktest eingesetzt, für den ebenfalls Testallergene benötigt werden.

Zu Beginn der allergologischen Medizin wurden noch selbst gefertigte Extrakte verwendet. Diese wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte von qualitätskontrollierten Allergenextrakten abgelöst. Bis vor einigen Jahren wurde davon auch eine Vielzahl kommerziell angeboten. So konnte man mit diesen zugelassenen Extrakten mit definierten Allergenmengen eine standardisierte Diagnostik durchführen. Jedoch mit neuen regulatorischen Anforderungen, wie der EU-Richtlinie 2001/83/EG (→ Info) für diagnostische Hauttests und ihrer Einstufung als Arzneimittel und Veränderungen im Gesundheitssystem, hat sich die Verfügbarkeit kommerzieller Testallergene stark verringert. Diese insbesondere für seltene Allergene drastische Reduktion der Verfügbarkeit führt dazu, dass eine breite allergologische und qualitätsgesicherte Diagnostik, wie sie insbesondere bei schwierigen Fragestellungen im Rahmen von Berufskrankheitenfeststellungsverfahren häufig erforderlich ist, kaum noch möglich ist.

Anlass genug, dass sich gleich zwei Ausgaben der Zeitschrift „Allergologie“ mit dem Thema „Seltene Allergene und Berufsallergene – Schwerpunkt Diagnostik, Management und Regulation“ beschäftigen.

Regulatorische Rahmenbedingungen und Erfordernisse an die Diagnostik berufsbedingter Allergien

In Heft 1 werden die regulatorischen Bedingungen und Herausforderungen bei der Berufsallergiediagnostik sowie Abstracts des 16. Internationalen Paul-Ehrlich-Seminars vorgestellt. Heft 2 befasst sich mit praxisbezogenen Themen und Forschungsansätzen zur Verbesserung der Diagnostik trotz eingeschränkter Verfügbarkeiten.

Dr. Julia Zimmer und Prof. Vera Mahler vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) informieren über den aktuellen Stand der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Zulassung von Testallergenen für seltene Typ I- und Typ IV-Allergien. Sie verweisen in ihrem Beitrag darauf, dass der regulatorische Rahmen innerhalb des gesetzlichen Spielraums ständig angepasst werden muss. Denn nur so können die notwendigen regulatorischen Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem klinischen Bedarf in Einklang gebracht werden.

Wie groß das Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit, Erfordernissen und Chancen bei der Diagnostik von IgE-vermittelten Berufsallergien ist, beleuchtet ein Beitrag aus dem IPA. Hervorgehoben wird dabei, dass die Unfallversicherungsträger den dringenden Bedarf an Allergentestungen für den Nachweis von beruflichen Allergien erkannt haben. So wurde zur Behebung der diagnostischen Lücken proaktiv vorgegangen und ein gemeinsames Forschungsprojekt am IPA und dem PEI initiiert. Dieses Projekt umfasst auch die Entwicklung von Verfahren zur Herstellung standardisierter Testallergene, die an neue Allergene im Arbeitsumfeld angepasst werden können. Mit den sich ständig ändernden Arbeitsbedingungen, neuen Technologien und Materialien, die unter anderem durch Klimawandel und Nachhaltigkeitsbestrebungen beeinflusst werden, ist mit neuen Allergenquellen und entsprechenden Sensibilisierungen und Allergien bei den Beschäftigten zu rechnen.

Auswirkungen auf die allergologische Praxis

In Heft 2 fokussieren die fünf Beiträge auf die Herausforderungen für die allergologische Praxis und Berufsdermatologie infolge des Rückgangs an kommerziell verfügbaren Testallergenen.

Norbert Mülleneisen et al. beleuchten die praktischen Schwierigkeiten durch Rückgaben von Zulassungen und Lieferschwierigkeiten bei Testallergenen. Dies führt oft zu improvisierten Pricktest-Protokollen oder zu weniger standardisierten, selbst hergestellten Testlösungen. Standardisierte Allergenextrakte jedoch sind wichtig, um schwerwiegende gesundheitliche Folgen und Folgekosten durch Allergien zu vermeiden. Nur diese ermöglichen es, dass ein Patient beziehungsweise eine Patientin unabhängig von der Qualität eines praxis-internen Extrakts unter gleichen Bedingungen getestet wird. Dieses hat insbesondere im BK-Feststellungsverfahren eine große Bedeutung. Damit wird auch der gesundheitsökonomische Nutzen belegt. Die Autoren appellieren an Ärztinnen und Ärzte, bei ihren Differentialdiagnosen seltene Allergene zu berücksichtigen und zu testen. So kann ein Signal an die Hersteller gegeben werden, dass diese Allergene dringend gebraucht werden.

Prof. Bettina Wedi und Kollegen und Kolleginnen haben die aktuelle Verfügbarkeit von Testallergenen zur In-vivo-Diagnostik von Soforttyp-Allergien in Deutschland untersucht. Dazu haben sie sich direkt an die Hersteller gewandt und darum gebeten, ihnen die verfügbaren Präparate standardisiert zu benennen. Im Zuge dieser Abfrage haben verschiedene Hersteller angekündigt, einige aktuell nicht lieferbare Produkte demnächst wieder anzubieten. Das macht Hoffnung, dennoch bleibt das Defizit in der Verfügbarkeit erheblich.

Auswirkungen auf die Berufsdermatologie

Qualitätsgesicherte Hauttests sind auch essenziell für die Diagnose von Typ IV-Allergien, die oft im beruflichen Kontext auftreten.

Prof. Richard Brans und Prof. Christoph Skudlik vom iDerm aus Osnabrück gehen in ihrem Beitrag auf die aktuelle Situation bei der Diagnostik von beruflich verursachten allergischen Kontaktekzemen ein. Die Epikutantestung spielt eine zentrale Rolle bei der Identifikation des auslösenden Allergens und ist entscheidend sowohl für die Einleitung von präventiven Maßnahmen als auch für die rechtliche Bewertung bezüglich Berufskrankheiten. Ein großes Problem auch in diesem Bereich ist der Mangel an kommerziell verfügbaren Testsubstanzen, was die Diagnostik erschwert. Um diese Lücke zu schließen, ist der Einsatz von patienteneigenen Berufsstoffen bei der Epikutantestung notwendig. Die Autoren betonen, dass die Tests streng nach aktuellen medizinischen Leitlinien und Empfehlungen durchgeführt werden. Nur so könne die Qualität und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zugesichert werden.

Herstellung von Allergentestlösungen in Apotheken?

Im Beitrag von Robin Jost et al. werden rechtliche und praktische Aspekte betrachtet, um Allergentest-Lösungen in öffentlichen Apotheken herzustellen. Diese Option könnte eine wichtige Alternative bieten, falls es in Deutschland nicht möglich ist, die Lücken in der Verfügbarkeit von Allergentests durch Produkte von pharmazeutischen Firmen zu schließen. Obwohl das deutsche Arzneimittelgesetz die Herstellung von Allergentests in Apotheken grundsätzlich erlaubt, ist diese Praxis noch nicht weit verbreitet. Bei der Herstellung müssen Apotheken nicht nur das Arzneimittelgesetz beachten, sondern auch weitere rechtliche Rahmenbedingungen wie die Apothekenbetriebsordnung, das Apothekengesetz und die Vorschriften des Europäischen Arzneibuches einhalten.

Ziel der von Kespohl et al. vorgestellten Machbarkeitsstudie war eine Überprüfung, inwieweit standardisierte Labormethoden zur Extraktion von Allergenen aus beruflichen und umweltbedingten Quellen an die Bedingungen einer öffentlichen Apotheke angepasst werden können. Diese Evaluierung wurde gemeinsam vom IPA und dem Paul-Ehrlich-Institut durchgeführt. Es zeigte sich, dass unter Verwendung von zertifiziertem Ausgangsmaterial in einer öffentlichen Apotheke Allergenextrakte hergestellt werden können, deren Qualität mit denen von Labormethoden und kommerziell erhältlichen Pricktestlösungen vergleichbar ist. Somit könnte zukünftig die Herstellung von Allergentestextrakten in ausgewählten öffentlichen Apotheken eine praktikable Alternative sein, insbesondere für bestimmte Allergenquellen wie Berufsallergene, aber auch für seltene Umweltallergene.

Alle Beiträge sind in den Ausgaben der Zeitschrift Allergologie, Jahrgang 47, Nummer 6 und 7, erschienen im Juni und Juli 2024, nachzulesen:

www.dustri.com/nc/de/deutschsprachige-zeitschriften/mag/allergologie/vol/jahrgang-47-2024/issue/juni-63.html

www.dustri.com/nc/de/deutschsprachige-zeitschriften/mag/allergologie/vol/jahrgang-47-2024/issue/juli-64.html

Kurz gefasst

  • Testallergene sind für eine erfolgreiche Prävention und Diagnostik von Allergien unabdingbar.
  • Regulatorische Vorgaben haben dazu geführt, dass immer mehr Testallergene – insbesondere für seltene Allergene, zu denen auch die Berufsallergene gehören – nicht mehr kommerziell verfügbar sind.
  • Derzeit werden alternative Herstellungsmöglichkeiten für Testallergene beispielsweise in öffentlichen Apotheken geprüft.

Autorin

Info

Die EU-Richtlinie 2001/83/EG regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Überwachung von Human-Arzneimitteln innerhalb der Europäischen Union. Die Richtlinie wurde am 6. November 2001 verabschiedet und bildet die Grundlage für die Harmonisierung der nationalen Vorschriften der EU-Mitgliedstaaten in Bezug auf Arzneimittel. Geregelt werden unter anderem ein EU-weit einheitliches Zulassungsverfahren, Sicherheit und Wirksamkeit: Prüfung auf Sicherheit, Wirksamkeit, Qualität, präklinische und klinische Tests.