Der UV-Filter Homosalat (Homomenthylsalicylat) wird in verschiedenen Sonnenschutzmitteln eingesetzt. Aufgrund nierentoxischer Effekte im Tierversuch wurde sein zulässiger Höchstgehalt in Kosmetika 2022 gesenkt. Homosalat steht ebenfalls im Verdacht, hormonartig zu wirken. Um seine Aufnahme in den menschlichen Körper präzise quantifizieren zu können, wurde im IPA ein neues analytisches Verfahren entwickelt und der Stoffwechsel von Homosalat untersucht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen den Unfallversicherungsträgern helfen, ihren Versicherten aus toxikologischer Sicht sichere Sonnenschutzmittel zu empfehlen.
Für Beschäftigte, die im Freien arbeiten, ist der Schutz vor UV-Strahlung unerlässlich, um das Risiko für die Entstehung von Hautkrebs zu senken. Lässt sich durch technische und organisatorische Maßnahmen die Belastung durch UV-Strahlung nicht ausreichend reduzieren, können persönliche Schutzmaßnahmen und als letzte Maßnahme auch die Anwendung von Sonnenschutzmitteln erforderlich sein (DGUV-Information 203-085).
Für die versicherten Personen ist es hierbei wichtig, dass die angebotenen Sonnenschutzmittel auch aus toxikologischer Sicht ausreichend sicher sind. Zum versicherten Personenkreis gehören unter anderem Kleinkinder, zum Beispiel in Betreuungseinrichtungen, sowie Schwangere. Für sie können hormonartig wirkende Inhaltsstoffe im Einzelfall eine besondere Gefährdung darstellen.
Sonnenschutzmittel enthalten als wirksame Bestandteile meist eine Mischung verschiedener UV-Filter. Diese können neben ihren erwünschten UV-filternden Wirkungen zum Teil auch gesundheitsschädigende Wirkungen entfalten, nachdem sie über die Haut in den Körper aufgenommen wurden. Für den UV-Filter Homosalat (HMS) kam der Wissenschaftliche Ausschuss Verbrauchersicherheit (SCCS) der Europäischen Kommission 2021 zu dem Schluss, dass aufgrund nierentoxischer Effekte im Tierversuch und aufgrund möglicher hormonartiger Wirkung die bisherige Obergrenze von bis zu 10 % HMS in Sonnenschutzmitteln bei großflächiger Anwendung nicht ausreichend sicher ist (SCCS, 2021b, 2021a). Daher wurde zum 1. Dezember 2022 die Höchstkonzentration auf 7,34 % gesenkt und gleichzeitig die Zulassung auf kosmetische Produkte für die Anwendung im Gesicht beschränkt (EU-Verordnung 2022/2195). Produkte, die altem Recht entsprechen, dürfen noch bis Ende 2024 in Verkehr gebracht werden.
Die Aufnahme von Stoffen aus kosmetischen Mitteln über die Haut hängt von verschiedenen Faktoren ab, so zum Beispiel von deren Zusammensetzung, der anatomischen Lage der exponierten Hautfläche, der Temperatur, der Intaktheit und dem Feuchtigkeitsgehalt der Haut (ECETOC, 1993). Eine objektive Expositions- und Risikoermittlung muss daher, unabhängig von diesen Einflussfaktoren, die tatsächlich in den Körper aufgenommene Stoffmenge ermitteln können. Diese Anforderung erfüllt das Human-Biomonitoring. Hierbei werden Konzentrationen eines Stoffes oder seiner Stoffwechselprodukte (Metaboliten) im Blut oder Urin bestimmt und dabei alle möglichen Aufnahmepfade erfasst (Angerer et al., 2007).
Im IPA wurde ein quantitatives Verfahren zum Human-Biomonitoring für HMS entwickelt. So konnten im Urin spezifische Metaboliten identifiziert werden, die als Biomarker Auskunft über die zuvor aufgenommene Menge an HMS geben. Für die letztendliche Expositionsermittlung werden Daten zur Verstoffwechslung und Ausscheidung von HMS benötigt. Sie geben Aufschluss darüber, in Form welcher Metaboliten und in welchem Ausmaß HMS im Urin des Menschen ausgeschieden wird. Üblicherweise werden solche Studien für die Aufnahme über den Mund, also oral, durchgeführt (Apel et al., 2017; Salthammer et al., 2018). Denn nach der Anwendung auf der Haut ist die aufgenommene Dosis nicht direkt zugänglich. Die Stoffaufnahme hängt – wie bereits erwähnt – von verschiedenen Einflussgrößen ab. Die mit Hilfe solcher Studien ermittelten Konversionsfaktoren erlauben es, von gemessenen Biomarker-Konzentrationen im Urin auf die tatsächliche Aufnahme in Form einer äquivalenten oralen Dosis zurückzurechnen. Konversionsfaktoren geben an, welcher Anteil der oral verabreichten Dosis in Form eines bestimmten Metaboliten über den Urin ausgeschieden wird.
In der Praxis ist für HMS wahrscheinlich der dermale und nicht der orale Aufnahmepfad von größerer Bedeutung. Wenn sich jedoch das Spektrum der ausgeschiedenen Metaboliten inklusive der Muttersubstanz HMS zwischen den beiden Aufnahmepfaden nicht nennenswert unterscheidet, können orale Daten auch auf die dermale Situation übertragen werden.
Dementsprechend erfolgten am IPA sowohl Untersuchungen nach oraler wie dermaler Aufnahme von HMS bei zwei weiblichen und zwei männlichen Versuchspersonen (Ebert et al., 2022, 2024a). In der oralen Studie wurden 10 mg HMS verabreicht, während in der dermalen Studie einmalig eine handelsübliche Sonnencreme mit einem HMS-Gehalt von 10 % großflächig aufgetragen wurde. Diese 10 % entsprechen der maximalen Konzentration in aktuell noch verkehrsfähigen Kosmetika und resultierten in einer aufgetragenen Menge von 1,26 bis 2,61 g HMS. In beiden Studien wurden über definierte Zeiträume hinweg vor und nach Expositionsbeginn Urin- und Blutproben gesammelt.
Bei den Analysen musste zudem berücksichtigt werden, dass es sich bei HMS um ein Gemisch zweier sogenannter Diastereomere handelt (cis- und trans-Homosalat, cHMS und tHMS; → Abb. 1), die unterschiedliche physikalischchemische Eigenschaften besitzen. Daher wurde für die Untersuchung der gesammelten Proben und für die spätere Routine-Anwendung ein analytisches Verfahren entwickelt, das für beide Isomere eine empfindliche und selektive quantitative Messung von je zwei spezifischen oxidierten Metaboliten als Biomarker erlaubt (Ebert et al. 2021, 2024b). Außerdem wurden weitere zehn spezifische Metaboliten sowie auch cHMS und tHMS selbst untersucht, um das Metabolitenspektrum nach oraler und dermaler Applikation zu vergleichen.
Abbildung 2 (links) zeigt den Konzentrationsverlauf der beiden Biomarker von tHMS (in Rottönen) und cHMS (in Blautönen) nach oraler Gabe. Auffällig sind die im Vergleich zu cHMS deutlich höheren Konzentrationen der tHMS-Biomarker – und dies, obwohl das verabreichte HMS zu ca. 90 % aus cHMS bestand. Dieser Unterschied spiegelte sich auch in den relativen Dosiswiederfindungen wider. Während im Mittel 1,0 % und 0,26 % des Anteils der verabreichten Menge an tHMS in Form der beiden spezifische Metaboliten tHMS-CA und 3OH-tHMS im Urin ausgeschieden wurde, waren es im Falle des cHMS lediglich 0,01 % und 0,003 % für dessen spezifische Metaboliten. Entsprechende Untersuchungen zu cHMS und tHMS im Blut zeigten, dass diese Unterschiede zum einen an einer um ca. den Faktor 10 reduzierten Aufnahme von cHMS im Vergleich zu tHMS lagen. Zum anderen spielten Unterschiede in der Verstoffwechslung der beiden Diastereomere eine Rolle.
Im Unterschied zur oralen Gabe traten nach dermaler Sonnencreme-Anwendung die Spitzenkonzentrationen der Biomarker im Urin (→ Abb. 2 rechts) wie auch im Blut um mehrere Stunden verzögert auf. Zudem fand die Ausscheidung mit Halbwertszeiten im Urin im Bereich von 21 bis 33 Stunden deutlich langsamer über mehrere Tage statt. Ebenfalls zeigte sich im direkten Vergleich mit Daten nach oraler Gabe, dass deutlich geringere Mengen an tHMS und cHMS aufgenommen wurden. All dies entsprach der Erwartung, dass HMS im Vergleich zum Magen-Darmtrakt in geringerem Ausmaß über die Haut aufgenommen wird, dort ein Depot bildet und langsam ins Blut übertritt.
Trotz der Unterschiede zwischen der dermalen und oralen Stoffaufnahme erfolgte die Verstoffwechslung der spezifischen Metaboliten und die Ausscheidung für beide Aufnahmepfade in vergleichbarem Umfang. So sind die Metabolitenspektren nach oraler und dermaler Applikation von HMS nahezu identisch (→ Abb. 3 exemplarisch für tHMS und seine Metaboliten dargestellt). Dies zeigt, dass die im Rahmen der Studie nach oraler Dosierung ermittelten Konversionsfaktoren auch zur Dosisbestimmung nach dermaler Exposition herangezogen werden können.
Die gewonnen Erkenntnisse und das neu entwickelte Analysenverfahren ermöglichen erstmals eine präzise und robuste Expositionsermittlung für HMS. Die in dieser Studie ermittelten Stoffaufnahmen nach Anwendung von Sonnencreme bestätigen die Einschätzung des SCCS, dass der alte Grenzwert von 10 % HMS in Sonnenschutzmitteln kein ausreichendes Schutzniveau bei großflächiger Anwendung geboten hätte. Der Vergleich der ermittelten Stoffaufnahmen mit oralen Dosen, die im Tierversuch nierentoxische Effekte zur Folge hatten, zeigte eine Unterschreitung der generell geforderten Sicherheitsfaktoren bereits bei der in dieser Studie vorliegenden einmaligen Anwendung von Sonnencreme (Ebert et al., 2024a). Daten für Expositionen gegenüber Produkten, die dem neuen Recht entsprechen, liegen noch nicht vor. Da die Anwendungsfläche nur auf das Gesicht beschränkt ist, kann aber von deutlich geringeren Expositionen ausgegangen werden.
Das am IPA etablierte Biomonitoring für HMS sowie auch für andere UV-Filter unterstützt die Unfallversicherungsträger, im Rahmen ihrer Präventionsmaßnahmen Sonnenschutzmittel so einzubinden, dass keine bedenklichen Mengen an HMS oder anderen untersuchten organischen UV-Filtern aufgenommen werden können.
Prof. Dr. Thomas Brüning
Dr. Daniel Bury
Dr. Katharina E. Ebert
Dr. Heiko U. Käfferlein
Dr. Holger M. Koch
IPA
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