Psychische Gesundheit 8/2024

„Menschen, die an einer PTBS leiden, bleiben häufig in einem inneren Alarmzustand“

Eine Pflegerin weicht vor einem Patienten zurück, der mit dem Finger auf sie zeigt. Sie hebt abwehrend die Hände. Die Pflegerin trägt einen blauen Kittel. Der Patient ein Krankenhausnachthemd.

Eine langfristige Folge extremer Gewalterfahrung kann die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sein. (Foto: Wolfgang Bellwinkel / DGUV)

Frau Huxholl, welche Folgen kann eine Gewalterfahrung bei der Arbeit für das Erleben und Verhalten eines Menschen haben?

Die Erfahrung, bei der Arbeit angegriffen zu werden – sei es mit Worten oder körperlich – kann bei den Betroffenen unterschiedliche Gefühle auslösen. Dazu zählen Angst, ein Gefühl der Hilflosigkeit, Wut oder auch Unverständnis.

Solche Erfahrungen können traumatisch sein und zu einer Traumafolgestörung führen, beispielsweise zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung, auch PTBS genannt. Was genau versteht man darunter?

Eine PTBS kann sich als Folge von einem traumatischen Ereignis entwickeln. Besonders kritisch sind dabei solche Ereignisse, die bewusst von einer anderen Person herbeigeführt wurden. Im Arbeitsleben kann dies beispielsweise der Fall sein, wenn ein Kassierer einen Überfall erlebt, eine Notärztin in der Rettungsstelle mit einem Messer attackiert wird oder eine Pflegekraft sexualisierter Gewalt ausgesetzt ist. Etwas seltener entwickeln sich Traumafolgestörungen, wenn das traumatische Ereignis ohne das zielgerichtete Zutun einer Person, also zufällig, entsteht. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn jemand Zeuge oder Zeugin eines schweren Arbeitsunfalls wird.

Hannah Huxholl
Hannah Huxholl, Psychologin bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (Foto: Sarah Larissa Heuser / tonlosekunst )

Wie äußert sich eine solche PTBS bei den Betroffenen?

Eine PTBS kann Wochen oder Monate nach dem eigentlichen Ereignis auftreten. Betroffene können das Ereignis immer wieder durch unerwünschte Erinnerungen oder in Alpträumen durchleben. Beispielsweise können Geräusche und Gerüche sogenannte Flashbacks auslösen.

Eine PTBS ist daher auch gekennzeichnet durch Vermeidungssymptome, beispielsweise indem Betroffene bestimmten Aktivitäten und Situationen ausweichen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Menschen, die an einer PTBS leiden, bleiben häufig in einem inneren Alarmzustand. Sie können sehr schreckhaft und reizbar sein oder Schlafstörungen entwickeln. Kurz: Das Krankheitsbild ist vielschichtig.

Was können Betriebe und Einrichtungen tun, um Beschäftigte vor den Langzeitfolgen eines Gewalterlebnisses zu schützen?

Zunächst einmal sollten sie schon präventiv Maßnahmen ergreifen, damit es gar nicht erst zu einem Gewaltereignis kommt: Gibt es eine entsprechende Gefährdungslage, muss dies in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt sein. Sinnvoll ist die Erstellung eines Betreuungskonzepts inklusive Notfallplan. Darin wird unter anderem geregelt, wie nach einem traumatischen Ereignis die Meldekette verläuft, wer sich um die betroffenen Kolleginnen und Kollegen kümmert und wie die Unfallmeldung beim zuständigen Unfallversicherungsträger erfolgt.

Da die soziale Unterstützung unmittelbar nach dem Ereignis so wichtig ist, sollte eine Betreuung der Betroffenen bereits im Betrieb beziehungsweise am Unfallort sichergestellt werden. Das kann beispielsweise durch eine betriebliche psychologische Erstbetreuung erfolgen.

Was tut die gesetzliche Unfallversicherung, um Beschäftigte vor psychischen Gesundheitsstörungen nach einem Gewalterlebnis zu schützen?

Beispielsweise bietet die gesetzliche Unfallversicherung das Psychotherapeutenverfahren an. Wer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ein Gewaltereignis erlebt hat, bekommt so innerhalb von wenigen Tagen professionelle Unterstützung. Die Intervention soll der Entstehung von psychischen Störungen frühzeitig entgegenwirken. Der Durchgangsarzt beziehungsweise die Durchgangsärztin oder der Unfallversicherungsträger leiten die Behandlung ein.

Damit die Unfallversicherungsträger den betroffenen Menschen möglichst zeitnah Unterstützungsangebote unterbreiten können, muss der Betrieb den Vorfall der Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse melden. Wenn nach einem Arbeitsunfall Beschäftigte mehr als drei Tage arbeitsunfähig sind, ist diese Meldung verpflichtend. Aber auch, wenn keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt und dennoch Behandlungsbedarf besteht, kann die Meldung mit dem Einverständnis der Betroffenen erfolgen.

ZITAT

Wer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeitein Gewaltereignis erlebt hat, bekommt so innerhalb von wenigenTagen professionelle Unterstützung.

Hannah Huxholl

Ende des Zitats
Weiterlesen:

DGUV forum Schwerpunkt „Gewalt“: www.forum.dguv.de > alle Ausgaben > 7/2024

Psychotherapeutenverfahren der gesetzlichen Unfallversicherung: www.dguv.de/landesverbaen

GUT ZU WISSEN

#GewaltAngehen
ist die Kampagne der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen gegen Gewalt bei der Arbeit und in der Bildung.

www.dguv.de/gewalt-angehen

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