In der schrittweisen Erweiterung des Unfallversicherungsrechts ist das Jahr 1925 von Bedeutung: Nach heftigen politischen Auseinandersetzungen wird die Unfallversicherung erstmals auf Berufskrankheiten ausgedehnt. Das sind damals Erkrankungen durch Blei, Phosphor, Quecksilber, Arsen, Benzol, Schwefelkohlenstoffe, Paraffin, Teer, Anthrazen und Pech, aber auch die Wurmkrankheiten der Bergleute, Erkrankungen durch Röntgenstrahlen, der graue Star bei Glasmachern und die Schneeberger Lungenkrankheit. Im Laufe der Jahrzehnte wird die Liste der Berufskrankheiten beständig erweitert, heute umfasst sie 73 Krankheitsbilder.
Hinzu kommen 1925 auch die Wegeunfälle, die in den Versicherungsschutz mit einbezogen werden. Außerdem wird der gesetzliche Präventionsauftrag deutlich erweitert: Die Berufsgenossenschaften sollen demnach dafür sorgen, dass "soweit es nach dem Stand der Technik und der Heilkunde und nach der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft möglich ist, Unfälle verhütet werden und bei Unfällen dem Verletzten eine wirksame erste Hilfe zuteil wird“ (§848 RVO), denn: "Drohenden Schaden verhüten ist besser und vorteilhafter als entstandenen Schaden zu heilen."
Um diesem Auftrag gerecht zu werden, setzen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen in dieser Zeit auch erstmals moderne Medien wie Bild und Film ein, um Arbeiter und Unternehmer zu sensibilisieren. Trotz Kriegsfolgen und Weltwirtschaftskrise macht die Unfallverhütung in der Weimarer Republik damit Fortschritte. Finanziell allerdings leidet die Unfallversicherung unter dem Niedergang der Wirtschaft. Viele Betriebe können ihre Beiträge nicht mehr zahlen, die Rückstände belaufen sich zeitweise auf bis zu 60 Prozent der Jahresumlage. Mit einer Notverordnung kürzt die Regierung deshalb 1932 Renten und Gehälter. Gleichzeitig stützen stabile Berufsgenossenschaften die schwächeren. Die Selbstverwaltung lehnt jegliche staatliche Einmischung ab. Und letztlich können die finanziellen Probleme auch ohne staatliche finanzielle Hilfen überwunden werden.