abgeschlossen 12/2022
Die Unfallversicherungsträger (UVT) beauftragten das IFA 2011 mit der Entwicklung und dem Aufbau eines Risikoobservatoriums. Das Risikoobservatorium unterstützt die UVT seither bei einer proaktiven Prävention, indem es branchenübergreifend und branchenbezogen Top-Entwicklungen identifiziert. Dies sind Entwicklungen, die die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten in der näheren Zukunft stark beeinflussen werden. Ziel des Risikoobservatoriums ist es, frühzeitig Veränderungen zu erfassen, die die Arbeitswelt, Hochschulen, Schulen und Kitas zukünftig beeinflussen werden.
Bisher hat das Risikoobservatorium zwei Befragungszyklen durchlaufen (2012-2016; Projektnummer IFA 0096 und 2017-2021; Projektnummer IFA 0100). Basis beider Befragungszyklen waren Befragungen von ausschließlich Präventionsfachleuten, im Wesentlichen Aufsichtspersonen der gesetzlichen Unfallversicherung. Im zweiten Befragungszyklus standen branchenspezifische Top-Entwicklungen und ihre Wechselwirkungen im Kontext der jeweiligen Branche im Vordergrund.
Rückmeldungen aus den Gremien der UVT, insbesondere der Präventionsleiterkonferenz (PLK) zur zweiten Befragungsrunde des Risikoobservatoriums erforderten eine Neuausrichtung und substanzielle Weiterentwicklung der Methodik des Risikoobservatoriums für die dritte Befragungsrunde. Im Hinblick auf eine bessere Nutzbarkeit der Ergebnisse für die UVT wurde eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von BG- und UK-Fachleuten und dem Team des Risikoobservatoriums eingerichtet, die eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Risikoobservatoriums sicherstellen sollte. Aus der Diskussion innerhalb der Arbeitsgruppe ergaben sich folgende zentrale Anforderungen an die dritte Befragungsrunde:
Auf Basis der Hinweise aus der PLK, der Diskussion in der UVT-übergreifenden Arbeitsgruppe und interner Diskussion erarbeitete das Team des Risikoobservatoriums ein neues Vorgehen für die dritte Befragungsrunde, das gemäß 5. eine enge Verzahnung mit der DGUV Trendsuche vorsieht und einige vorbereitende Betrachtungen erforderlich machte.
Ausgangspunkt für die Befragungen im Risikoobservatorium ist eine Sammlung von zukunftsweisenden Trends und Entwicklungen, die über umfassende Recherchen in allen zur Verfügung stehenden Medien (z. B. Internet, Presse, Wissenschaftsmagazine, Veranstaltungen) erfolgte und ebenfalls die Trendmeldungen der DGUV Trendsuche berücksichtigte. Die gefundenen Trends und Entwicklungen sollten den unter 1. genannten Kriterien entsprechen.
Die geforderte starke Zukunftsorientierung wie auch der UV-externe Charakter des neuen Konzeptes sollten zum einen durch die o.g. Sammlung innovativer und zukunftsgerichteter Entwicklungen und zum anderen durch die Zusammenstellung eines völlig neuen Befragungskollektives erreicht werden. Die Branchenrelevanz der Trends und Entwicklungen sollte demgegenüber weiterhin von UV-internen Fachleuten bewertet werden. Eine entsprechende vereinfachte Bewertung, die trotzdem den Bedarfen einzelner Branchen Rechnung trägt, musste in einem eigenen Befragungsmodul parallel zur Betrachtung der Zukunftsrelevanz stattfinden. Die Ergebnisse beider Befragungsmodule sollten abschließend in einer Gesamtbewertung zusammenlaufen.
Da die Trendsammlung während der kompletten dritten Befragungsrunde kontinuierlich fortgeführt wird, sollte die Möglichkeit bestehen, neue Trends, die nach Durchführung der Branchenrelevanz- und Zukunftsrelevanzbefragung identifiziert werden und noch nicht Teil der zugrundliegenden Trendsammlung sind, zu bewerten, um sie – bei entsprechender Relevanz – ebenfalls in der Berichterstattung berücksichtigen zu können. Die Aufgabe der Bewertung übernimmt das Sachgebiet "Neue Formen der Arbeit" mit seiner Trendsuche-Gruppe über ein sogenanntes "Schnellbewertungsverfahren", das auf den gleichen Fragen basiert, wie die Zukunftsrelevanz-Befragung.
Schließlich war die Berichterstattung pro relevanter Entwicklung so zu konzipieren, dass sie alle wesentlichen Informationen – inklusive der Branchenrelevanz – auf zwei bis drei Seiten zusammenfasst. Um sicherzustellen, dass das neue Konzept Überschneidungen mit dem Vorgehen und der Berichterstattung der DGUV Trendsuche vermeidet, fand ein Schritt-für-Schritt-Abgleich mit dem Prozedere der Trendsuche im Sachgebiet Neue Formen der Arbeit statt.
Ergebnis des Projekts ist das neue und mit dem Sachgebiet Neue Formen der Arbeit als Träger der Trendsuche der DGUV abgestimmte Vorgehen für die dritte Befragungsrunde des Risikoobservatoriums. Das Vorgehen folgt einem Drei-Jahres-Zyklus.
Das Risikoobservatorium stützt sich bei der Identifikation von Top-Entwicklungen, d. h. Entwicklungen, die die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten stark beeinflussen werden, auf zwei unabhängige Befragungen: die Branchenrelevanz-Befragung und die Zukunftsrelevanz-Befragung. Ausgangspunkt des Vorgehens ist die Trendsammlung des Risikoobservatoriums. Diese wurde auf den Internetseiten des Risikoobservatoriums veröffentlicht und wird kontinuierlich fortgesetzt und ergänzt. Sie umfasst zehn Globaltrends mit jeweils bis zu 25 Entwicklungen. Die Fragebögen zur Zukunfts- und Branchenrelevanz wurden vom Team des Risikoobservatoriums erarbeitet und mit den Verantwortlichen der DGUV Trendsuche abgestimmt.
Mithilfe einer Abfrage bei den Präventionsleitungen zur Benennung der Branchenfachleute wurde das Befragungskollektiv der Branchenrelevanz-Befragung zusammengestellt. In der Branchenrelevanz-Befragung schätzen ca. 250 Branchenfachleute der gesetzlichen Unfallversicherung alle Entwicklungen der Befragungsrunde hinsichtlich ihres Einflusses auf die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten Ihrer jeweiligen Branche ein. Pro Entwicklung werden die Einschätzungen der Branchenfachleute einer Branche gemittelt. Eine Entwicklung, deren Einfluss in den nächsten fünf bis zehn Jahren als sehr groß eingeschätzt wird, geht in den Pool der Top-Entwicklungen ein. Dabei wird berücksichtigt, in wie vielen Branchen diese Entwicklung großen Einfluss hat.
Für die Zukunftsrelevanz-Befragung hat das Team des Risikoobservatoriums das Befragungskollektiv durch Recherchen im Internet und in wissenschaftlichen Zeitschriften und Wissenschaftsmagazinen zusammengestellt. Fachleute aus wissenschaftlichen Einrichtungen und Gesellschaften sowie aus Arbeitsschutzinstituten innerhalb und außerhalb der gesetzlichen Unfallversicherung sollen Entwicklungen ausschließlich aus dem Bereich ihrer Expertise hinsichtlich Ihres Einflusses auf die Arbeitswelt der kommenden fünf bis zehn Jahre bewerten. Die Einschätzungen der Fachleute werden pro Entwicklung gemittelt. Fachleute aus dem Gebiet des Arbeitsschutzes bewerten zusätzlich auch den Einfluss auf die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten. Grundlage für die Bewertung zur Sicherheit und Gesundheit ist das Bewertungsschema der Trendsuche der DGUV in reduzierter Form. Erfordernisse hinsichtlich des Datenschutzes wurden mit den Datenschutzbeauftragten der DGUV erörtert und in den Fragebögen berücksichtigt. Die Befragungen selbst werden im Frühjahr 2023 im Rahmen eines eigenen Projektes starten.
Die Zukunftsrelevanz-Befragung soll alle drei Jahre durchgeführt werden. In der Zwischenzeit wird die Trendsammlung erweitert und neu gefundene Entwicklungen müssen bewertet werden, damit sie bei entsprechend großem Einfluss unter den Top-Entwicklungen berücksichtigt werden können. Dies erfolgt in regelmäßigen Abständen mit dem oben bereits erwähnten Schnellbewertungsverfahren durch die Trendsuche-Gruppe des Sachgebiets "Neue Formen der Arbeit".
Auf Basis der quantitativen Bewertungen identifiziert das Team des Risikoobservatoriums Top-Entwicklungen. Für diese Top-Entwicklungen werden Kurzbeschreibungen angefertigt, die auch betroffene Branchen ausweisen und präventionsrelevante Folgen beschreiben. Zur Schärfung der Kurzbeschreibungen sind zukünftig neben Literatur- und Webrecherchen zu den Entwicklungen auch vertiefende Interviews mit Fachleuten aus den Befragungskollektiven geplant.
Die PLK der gesetzlichen Unfallversicherung kann zudem die Weiterbearbeitung einzelner Top-Entwicklungen veranlassen, z. B. in DGUV Fachbereichen und Sachgebieten oder in Form eines UVT-übergreifenden Austauschs, z. B. in einem Workshop oder Fachgespräch. Umfassende sogenannte Branchenbilder werden optional auf Wunsch der Präventionsleitungen der Unfallversicherungsträger angefertigt.
-branchenübergreifend-
Gefährdungsart(en):-Verschiedenes-
Schlagworte:Risikoabschätzung
Weitere Schlagworte zum Projekt:Risikoobservatorium, Prävention, Risiko, neu auftretende Risiken, Trend, Entwicklung, Unfallversicherungsträger (UVT), Wandel der Arbeitswelt