Untersuchung des Abrollgeräuschs unterschiedlicher industriell genutzter Klebebänder

Projekt-Nr. IFA 4240

Status:

abgeschlossen 03/2023

Zielsetzung:

Das Abrollgeräusch von Klebebändern bei der Verpackung und im Versand von Produkten ruft branchenübergreifend potenziell gehörgefährdende Schalldruckpegel an den Arbeitsplätzen hervor. Diese Geräusche werden zusätzlich als lästig und störend wahrgenommen, sodass neben der auralen auch extra-aurale Wirkungen auftreten. Um zu ermitteln, ob zwischen unterschiedlichen Klebebändern, die es auch in „Low Noise“-Ausführungen gibt, signifikante Pegelunterschiede auftreten, wurde in diesem Projekt das Abrollgeräusch verschiedener Klebebänder unter vergleichbaren Laborbedingungen untersucht. Da es weder in den maschinenspezifischen Normen noch anderweitig bekannte Messvorschriften gibt, wurde innerhalb des Projekts auch eine Messstrategie entwickelt. Hauptziel des Projekts war die Quantifizierung der auftretenden Schalldruckpegel und Pegelunterschiede im Abrollgeräusch unterschiedlicher Klebebänder. Die Untersuchung beschränkte sich dabei auf selbstklebende, einseitige, industriell genutzte Produkte.

Aktivitäten/Methoden:

In einem ersten Schritt wurde eine Marktrecherche zu auf dem Markt verfügbaren üblichen Klebebändern durchgeführt. Allgemeine Hintergründe zu Klebebändern wurden u. a. anhand vorhandener Normen recherchiert. Durch Betriebsmessungen in Mitgliedsbetrieben der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) sowie eine umfassende Recherche in der MELA-Datenbank wurde die Lärmexposition an Arbeitsplätzen in Verpackungsbereichen mit Handabrollern und Faltschachtelverschließmaschinen ermittelt. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) unterstützte die BGN bei insgesamt drei Betriebsmessungen. Für die systematische Laboruntersuchung des Abrollgeräuschs war die Planung und Konstruktion einer Klebebandabrollmaschine notwendig. Diese wurde im IFA in gemeinsamer Arbeit der Gruppe "Mechanische Entwicklung - Zentrale Fertigungstechnik" und des Bereichs "Lärm" geplant und gefertigt. Zum Zwecke der systematischen Untersuchung wurde eine Messmethode entwickelt und erprobt, welche die Betrachtung des reinen Abrollgeräuschs durch ein Messmikrofon in einer Entfernung von 50 cm axial zum abrollenden Klebeband vorsieht. Auf der Abrollmaschine konnten dreizehn unterschiedliche, industriell genutzte Klebebänder betrachtet werden, wobei jeweils fünf Klebebandrollen pro Produkt und Geschwindigkeit untersucht wurden. Das Abrollgeräusch ist bei zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten in Anlehnung an vorhandene Abrollkraft-Klebebandnormen untersucht worden. Schalldruckpegel, Spektren und Pegel-Zeit-Verläufe des Abrollgeräuschs wurden im Semi-Freifeldraum des IFA erfasst.

Ergebnisse:

Unabhängig von der Abrollgeschwindigkeit konnten bei den untersuchten Klebebändern Pegeldifferenzen von etwa 15 dB festgestellt werden. Somit lässt sich ein deutlicher Pegelunterschied im Abrollgeräusch unterschiedlicher selbstklebender, einseitiger, industriell genutzter Klebebänder identifizieren. Weiterhin stellten sich die Angaben der Hersteller bzgl. des leisen Abrollens oder die Kennzeichnung als „Low Noise-Klebebänder“ im direkten Vergleich der Produkte als nicht belastbar heraus. Mangels einheitlicher Messmethode oder Prüfnorm sind die Herstellerangaben nicht vergleichbar und ermöglichen keine objektive Kaufentscheidung. Der Pflicht zur Minimierung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren können die Arbeitgeber daher bislang nicht nachkommen. Die MELA-Recherche ergab für Verpackungsbereiche in Betrieben eine Pegelspanne von etwa (79 ± 5) dB. Damit wird bei einem Teil der Daten bei einer Expositionszeit von acht Stunden der untere Auslösewert von 80 dB nach der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) überschritten. Mit leiseren Klebebändern kann eine Unterschreitung der Auslösewerte erreicht werden. Zur Ermittlung der Hintergründe für die Schallentstehung bedarf es weiterer Untersuchungen zur Vergrößerung der Datenbasis. Nachteilige Eigenschaften, wie beispielsweise eine niedrigere Klebkraft oder aber Trägermaterialien, die aus Sicht des Umweltschutzes als nicht nachhaltig gelten, müssen zur Akzeptanz von leiseren Klebebändern ebenfalls beachtet werden. In den bestehenden Messdaten befinden sich lediglich drei Bänder mit einem Trägermaterial, welches nicht aus Polypropylen (PP) besteht. Anschließend kann nach einer Ausweitung der Datenbasis bspw. auf Grundlage einer explorativen Faktoranalyse (EFA) oder anderer statistischer Methoden möglicherweise ein Modell zur Prognose der Schallentstehung erstellt werden. Dies ist notwendig, um eine produktneutrale, auf technischen Daten basierte Handlungshilfe zum Einkauf lärmgeminderter Klebebänder zu erstellen. Dazu müssen jedoch auch weitere Daten durch die Hersteller der Klebebänder zur Verfügung gestellt werden. So sind in den Datenblättern keine Angaben zur Trennlackierung/Coat oder dem Haftvermittler/Primer gegeben. In zukünftigen Untersuchungen sollten auch weitere Faktoren wie Temperatur (interessant für Verpackungsbereiche in der Tiefkühlung), Schallabstrahlcharakteristik, Messposition und aktuelle Messmethode Berücksichtigung finden. Das in diesem Projekt entwickelte Messverfahren soll weiter validiert und in die Normung eingebracht werden.

Stand:

03.11.2023

Projekt

Gefördert durch:
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Projektdurchführung:
  • Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA)
  • Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)
Branche(n):

-branchenübergreifend-

Gefährdungsart(en):

Lärm/Vibrationen

Schlagworte:

Lärm, Messverfahren, Belastung

Weitere Schlagworte zum Projekt:

Klebeband, Lärm, Verpackung, Karton, Low Noise, Messverfahren, Messvorschrift.

Kontakt

Weitere Informationen

Selzer, Albrecht, Lampert, Herzog, Haaß: Untersuchung der Schallabstrahlung von unterschiedlichen industriell genutzten Klebebändern. Tagungsband 49. Jahrestagung für Akustik, DAGA 2023 in Hamburg.