Entsprechend der Technischen Regel für Gefahrstoffe "Arbeitsplatzgrenzwerte" (TRGS 900) gilt der Allgemeine Staubgrenzwert als Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für schwerlösliche und unlösliche Stäube ohne spezifische Toxizität. Für Stäube mit spezifischer Toxizität ist er als Obergrenze zu betrachten. Für Stäube mit hergestellten Nanomaterialien gilt die BekGS 527 entsprechend [18].
Das US-amerikanische Arbeitsschutzinstitut NIOSH hat 2011 für feines Titandioxid (> 0,1 µm) einen Beurteilungswert von 2,4 mg/m³ und für ultrafeines (einschließlich absichtlich hergestelltem nanoskaligen) Titandioxid einen Wert von 0,3 mg/m³ vorgeschlagen [3]. Der britische Standard BSi PD 6699-2:2007 "Nanotechnologies – Part 2: Guide to safe handling and disposal of manufactured nanomaterials” [4] schlägt in einem pragmatischen Ansatz sogenannte "Benchmark Exposure Levels" als Leitwerte vor, um ein verantwortbares Sicherheitsniveau zu erreichen. Diese Werte bieten jedoch nicht die Sicherheit von gesundheitsbasierten Arbeitsplatzgrenzwerten. Basierend auf dem Vorschlag der NIOSH wird für unlösliche Nanomaterialien beispielsweise als Benchmark-Wert der 0,066-fache Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) als Massenkonzentration empfohlen. Als Alternative wird die untere Grenze der ubiquitären Konzentration in belasteten Gebieten von 20 000 Partikel/cm³ als "Benchmark" vorgeschlagen. Die Autoren haben wahrscheinlich einen Durchmesserbereich, für den diese Höchstkonzentration gelten soll, mitgedacht - dieser wird jedoch in dem Dokument nicht angegeben.
Für faserförmige Nanomaterialien wird in Anlehnung an den britischen Richtwert für Asbest bei Sanierungsarbeiten ein Wert von 10 000 Fasern/m³ empfohlen.
Ein pragmatischer Vorschlag zur Beurteilung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen muss folgenden, sich in ihrer Konsequenz zum Teil widersprechenden Forderungen Rechnung tragen:
Die "Working Party on Manufactured Nanomaterials" der OECD hat sich auf eine Liste prioritär zu bearbeitender Nanomaterialien geeinigt und diese Liste auf ihrer siebten Konferenz nochmals überarbeitet [6]. Die Tabelle zeigt für die meisten dieser Materialien (ergänzt um typischen A-Staub [7]), die Teilchenzahlkonzentration, die notwendig ist, um für eine gegebene Größe der Partikel (20, 50, 100, 200 nm) eine Massenkonzentration von 0,1 mg/m³ zu erreichen.
Name | Dichte in kg/m³ | N in cm-3 bei 20 nm | N in cm-3 bei 50 nm | N in cm-3 bei 100 nm | N in cm-3 bei 200 nm |
CNT, kommer- zielles Produkt | 110 | 217 029 468 | 13 889 886 | 1 736 236 | 217 029 |
Poly- styrol | 1 050 | 22 736 420 | 1 455 131 | 181 891 | 22 736 |
CNT1 | 1 350 | 17 683 883 | 1 131 768 | 141 471 | 17 684 |
nanoGBS2 | 1500 | 15 915 494 | 1 018 592 | 127 324 | 15915 |
Fullerene (C60) | 1 650 | 14 468 631 | 925 992 | 115 749 | 14469 |
Typischer A-Staub | 2 500 | 9 549 297 | 611 155 | 76 394 | 9 549 |
Titan- dioxid | 4 240 | 5 630 481 | 360 351 | 45 044 | 5 630 |
Zinkoxid | 5 610 | 4 255 480 | 272 351 | 34 044 | 4 255 |
Ceroxid | 7 300 | 3 270 307 | 209 300 | 26 162 | 3 270 |
Eisen | 7 874 | 3 031 908 | 194 042 | 24 255 | 3 032 |
Silber | 10 490 | 2 275 809 | 145 652 | 18 206 | 2 276 |
Gold | 19 320 | 1 235 400 | 79 083 | 9 885 | 1 236 |
N: Teilchenzahlkonzentration, die notwendig ist, um mit Teilchen der angegebenen Größe in nm eine Massenkonzentration von 0,1 mg/m³ zu erreichen.
1 Zur Illustration der Abhängigkeit der Partikelanzahl von der Größe und der Dichte der Materialien wird hier mit zwei verschiedenen Dichten für CNT gerechnet. Die Dichte von 1350 kg/m³ entspricht in etwa der Stoffdichte von CNT. Die Dichte von "CNT als kommerziellem Produkt" entspricht in etwa der Agglomeratdichte der verfilzten mikroskaligen Ausgangsagglomarate des kommerziellen Produktes und wird so auch in der Arbeit von Pauluhn (2011) [8] verwendet. Mit abnehmender Agglomeratgröße wird sich dieser Wert wieder der Stoffdichte annähern. Welche Dichte eingeatmete CNT besitzen und wie dann eine auf die Masse bezogene Dosis zu bestimmen ist, wurde von Oberdörster in einem Vortrag 2011 kritisch hinterfragt [9].
2GBS: granuläre biobeständige Stäube
Die in der OECD-Liste genannten Stoffe, die hier nicht exemplarisch berechnet wurden, sind:
Der Tabelle ist zu entnehmen, dass beispielsweise für 200 nm große Goldpartikel eine Konzentration von 1 236 dieser Goldpartikel/cm³ Luft zu einer Massenkonzentration von 0,1 mg/m³ führen würde. Die Anwendung des im zuvor erwähnten BSI-PAS-Standard genannten Wertes von 20 000 Partikel/cm³ auf 200 nm große Goldpartikel ergibt eine Massenkonzentration von ca. 1,6 mg/m³. Diese Konzentration liegt über dem heutigen Allgemeinen Staubgrenzwert für die Alveolengängige Staubfraktion und deutlich oberhalb des derzeit diskutierten Schwellenwertes, der entzündliche Effekte der GBS verhindern soll.
Für alle Substanzen mit einer Partikelgröße von 200 nm und einer Dichte größer als Eins ist davon auszugehen, dass eine Partikelkonzentration von 20 000/cm³ einer Massekonzentration (oder deren Vielfachem) von 0,1 mg/m³ entspricht. Dagegen entsprechen 20 000 Goldpartikel mit einer Größe von 20 nm pro cm³ Luft einer Massenkonzentration von nur 0,0016 mg/m³. Dies wäre deutlich unterhalb des A-Staub-Grenzwertes. Andererseits wäre eine Konzentration von 1 235 400 Goldpartikel (Größe 20 nm)/cm³, entsprechend 0,1 mg/m³, leicht messbar und in Anwendung des Vorsorgeprinzips mittels technischer Maßnahmen deutlich zu reduzieren.
Aus der Tabelle wird auch deutlich, dass angesichts einer Spannweite der Größenordnung der Nanopartikel und deren Dichte über jeweils mehr als eine Zehnerpotenz sich eine Bandbreite an Teilchenzahlkonzentrationen über mehr als fünf Zehnerpotenzen ergibt, die mit heutigen Messgeräten nicht abgedeckt werden kann. Insofern müssen Größe und Dichte der Nanopartikel als Ordnungskriterien genutzt werden für eine Ableitung von Beurteilungswerten.
Angesichts der herrschenden Unsicherheit über die Wirkung von Nanopartikeln und der Notwendigkeit, für die Betriebe pragmatische Regelungen zu finden, schlägt das IFA basierend auf seinen messtechnischen Erfahrungen und der Nachweisgrenze der derzeit eingesetzten Messverfahren für die Überwachung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen in den Betrieben folgende auf die Schicht bezogene Beurteilungswerte als Erhöhung gegenüber einer Hintergrundbelastung vor. Hinweise zur Bestimmung dieser Hintergrundbelastung gibt der Vorschlag einer gestuften Messstrategie [10]. Diese Beurteilungswerte zielen auf die Minimierung der Exposition nach dem Stand der Technik und sind nicht toxikologisch begründet. Auch bei Einhaltung dieser Beurteilungswerte kann für die Beschäftigten ein gesundheitliches Risiko bestehen. In Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung müssen gegebenenfalls stoffspezifische Arbeitsplatzgrenzwerte berücksichtigt werden.
Rezeption und Diskussion der vorgeschlagenen Beurteilungsmaßstäbe
Seit dem ersten Vorschlag der Beurteilungsmaßstäbe Mitte 2009 wurden national und international einige Grenzwerte publiziert. So hat 2009 die MAK-Kommission mit Blick auf die Wirkung von Zinkoxid-Rauch einen gesundheitsbasierten Wert von 0,1 mg/m³ für Zinkoxid (alveolengängige Fraktion) veröffentlicht [12]. Der vom IFA vorgeschlagene Wert von 40 000 Partikeln/cm³ für Zinkoxid-Nanopartikel entspricht in etwa dieser Massenkonzentration bzw. für Partikel kleiner 100 nm wird diese Massenkonzentration deutlich unterschritten.
Wie zuvor berichtet hat NIOSH 2011 – basierend auf toxikologischen Erkenntnissen zur Vermeidung von Lungenkrebs – einen Wert von 0,3 mg/m³ für ultrafeines bzw. nanoskaliges Titandioxid vorgeschlagen. Für 100 nm große Partikel von Titanoxid entspräche dies einer Partikelanzahlkonzentration von ca. 135 000 Partikel/cm³. Dieser Wert lässt sich mit derzeitiger Messtechnik gut überwachen und eine weitere Minimierung scheint im Bereich des Möglichen zu liegen. Dagegen entspricht der vom IFA vorgeschlagene Wert einer Partikelanzahlkonzentration von 40 000 Partikel/cm³ von 50 nm Größe einer Massenkonzentration von 0,011 mg/m³ und liegt somit ebenfalls deutlich unter dem von NIOSH empfohlenen Wert.
Auf Veranlassung des niederländischen Parlamentes hat das Knowledge and Information Centre Risks of Nanotechnology (KIR-nano) in Kooperation mit dem National Institute for Public Health and Environment (RIVM) untersucht, ob vorläufige Referenzwerte für Nanomaterialien abgeleitet werden können. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass ihnen nach derzeitigem Wissenstand keine bessere Methode als die Methode des IFA bekannt sei, um provisorische Referenzwerte für Nanomaterialien abzuleiten [13]. Im August 2010 wurden an das IFA-Konzept angelehnt Nano-Reference-Values (NRV) vom Social and Economic Council (SER), der die niederländische Regierung und das Parlament berät, angenommen und den Unternehmen zur Anwendung empfohlen, bis gesundheitsbasierte Grenzwerte abgeleitet worden sind [14]. Gleichzeitig förderte die niederländische Regierung ein Projekt, um die Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Werte zu evaluieren. Über das Ergebnis dieses Projektes und die generelle Eignung der Nano-Reference-Values wurde auf einem Workshop in Den Haag im September 2011 berichtet [15]. Demnach hat sich in den Niederlanden das Konzept des IFA zur Beurteilung der Schutzmaßnahmen unter dem Namen "Nano-Reference-Values" bewährt.
Die BASF SE hat 2008 entsprechend den Bestimmungen (§ 8e des Toxic Substances Control Act) der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde (EPA) Informationen über eine subchronische Inhalationsstudie an Wistar-Ratten mit Kohlenstoffnanoröhren übermittelt [16]. Die BASF SE führt aus, dass unter den beschriebenen Studienbedingungen der NOEL kleiner als 0,1 mg/m³ sein muss. Darauf basierend kommuniziert die Firma Nanocyl aus Belgien für die von ihr hergestellten MW-CNT einen Wert von 0,0025 mg/m³ [17]).
Im CIB von Dezember 2010 empfiehlt NIOSH, die Konzentration von Carbon Nanotubes in der Luft am Arbeitsplatz zu begrenzen auf unter 0,007 mg/m³, gemessen als elementarer Kohlenstoff nach der NIOSH-Methode 5040. Hinweise zu umfangreichen Schutzmaßnahmen finden sich in Kapitel 6 des CIB.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die Probenahmeverfahren und Messmethoden für CNT noch immer im wissenschaftlichen Versuchsstadium befinden. Geeignete einfache Verfahren für die praktische Überwachung der Exposition in Betrieben bestehen noch nicht. Eine umso größere Bedeutung kommt deshalb der Umsetzung von Schutzmaßnahmen zu.
[1] Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen (TRGS 910)
[2] Tonerstäube am Arbeitsplatz
[3] NIOSH-Vorschläge für Beurteilungswerte (PDF, 3 MB)
[4] Britische Norm
[5] Mitteilung der Kommission: Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips (PDF, 170 KB)
[7] IFA-Arbeitsmappe: Ultrafeine (Aerosol)- Teilchen und deren Agglomerate und Aggregate
[8] Pauluhn, J.: Poorly soluble particulates : searching for a unifying denominator of nanoparticles and fine particles for DNEL estimation. Toxicology 2011 Jan 11;279(1-3):176-88
[9] Oberdörster, G.: Nanotoxicology: Hype and Reality, Concepts and Misconceptions,Real and Perceived Risks. 5th International Symposium on Nanotechnology OEH, August 12, 2011
[10] Ein mehrstufiger Ansatz zur Expositionsermittlung und -bewertung nanoskaliger Aerosole, die aus synthetischen Nanomaterialien in die Luft am Arbeitsplatz freigesetzt werden (PDF, 573 KB). Vorgelegt von: IUTA, BAuA, BG RCI, VCI, IFA, TUD
[11] Begründung zur Exposition-Risiko-Beziehung für Asbest in Bekanntmachung zu Gefahrstoffen 910
[12] Zink und seine anorganischen Verbindungen [MAK Value Documentation in German language, 2010]
[13] Tijdelijke nano-referentiewaarden. Bruikbaarheid van het concept en van de gepubliceerde methoden (PDF, 301 KB). RIVM Rapport 601044001/2010
[14] Provisional nano reference values for engineered nanomaterials. Advisory Report. Sociaal-Economische Raad, März 2012
[15] van Broekhuizen, P.; van Veelen, W.; Streekstra, W.-H., Schulte, P.; Reijnders, L.: Exposure Limits for Nanoparticles: Report of an International Workshop on Nano Reference Values. Ann. Occup. Hygiene 56 (2012), No. 5, pp. 515-524
[16] Inhalation toxicity of multi-wall carbon nanotubes in rats exposed for 3 months (PDF, 2,36 MB). Studie der BASF
[17] Schulte, P. A. et al.: Occupational exposure limits for nanomaterials: state of the art. J. of Nanoparticle Research 12 (2010) Nr. 6, pp. 1971-1987