Erzieherinnen und Erzieher erleben im Arbeitsalltag oft hohe Muskel-Skelett-Belastungen, beispielsweise durch Zwangshaltungen aufgrund niedriger Arbeitshöhen. Die ergonomische Arbeitsgestaltung in Kindertageseinrichtungen (Kitas) ist deshalb immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussion.
Zur Erfassung des aktuellen Kenntnisstandes und zur Planung geeigneter Präventionsmaßnahmen gründete das IFA eine Expertengruppe, bestehend aus Fachleuten der Unfallkassen Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), des Instituts für Arbeitswissenschaft der Technischen Universität Darmstadt (IAD) sowie des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Goethe-Universität Frankfurt (ASU).
Bei den Recherchen ergaben sich Forschungsdefizite: Untersuchungen zu Muskel-Skelett-Belastungen bei pädagogischem Personal in Kitas lagen bisher kaum vor. Zudem war nicht bekannt, wie sich die strukturellen Rahmenbedingungen (beispielsweise Anzahl und Altersverteilung der betreuten Kinder, Betreuungsschlüssel oder Ausstattung) auf die Belastungssituation auswirken. Angesichts der steigenden Zahl der zu betreuenden unter Dreijährigen wurde jedoch eine dadurch entstandene Veränderung der körperlichen Belastung angenommen, beispielsweise durch vermehrtes Heben und Tragen. Zudem waren bestehende Lösungsansätze zur Belastungsminderung, wie spezielle Tische oder Erzieher/-innenstühle, noch nicht auf ihre Wirksamkeit überprüft worden.
Vor diesem Hintergrund plante der Expertenkreis eine Erhebung der Belastungssituation in Kitas und eine Interventionsstudie zur wissenschaftlichen Evaluation von Präventionsmaßnahmen. Basierend auf der umfassenden Analyse der Arbeitssituation in neun untersuchten Kindertageseinrichtungen wurden Anfang 2013 konkrete Präventionsansätze abgeleitet. Diese bestanden sowohl aus verhältnispräventiven Maßnahmen (beispielsweise ergonomischem Mobiliar) als auch aus verhaltenspräventiven Empfehlungen (beispielsweise der Durchführung von Ergonomie-Workshops für die Erzieherinnen). Diese Präventionsansätze wurden 2013 in den teilnehmenden Kitas umgesetzt und die Wirksamkeit der Maßnahmen mithilfe der zuvor genutzten Methoden (u. a. standardisierten Fragebögen und physiologischen Messungen) überprüft. Die Ergebnisse sind als IFA Report 2/2015 publiziert.
Neben den bereits in "ErgoKiTa" beleuchteten Muskel-Skelett-Belastungen wird der hohe Krankenstand bei Erzieherinnen und Erziehern auch mit ungünstigen Umgebungsfaktoren wie Raumakustik, -klima und Beleuchtung in Zusammenhang gebracht. Die Erkenntnisse aus "ErgoKiTa" und einem weiteren DGUV-Forschungsprojekt, dem "Ergonomischen Klassenzimmer", resultierten in einem umfangreichen Katalog ergonomischer Empfehlungen und Konzepten für die Umsetzung von Akustik, Belüftung und Beleuchtung.
Um diese Empfehlungen in einem Musterbeispiel zu vereinen und in die Praxis umzusetzen, initiierte die Unfallkasse Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem IFA das Folgeprojekt "MusterKiTa". Eine bestehende Kindertageseinrichtung in Neuwied – Heimbach-Weis wurde dafür saniert und erweitert. In Workshops wurde das gesamte Kita-Team für belastende Arbeitssituationen sensibilisiert und entwickelte selbst Ideen und Lösungen, um die Arbeitsorganisation und das Arbeitsverhalten gesundheitsförderlicher zu gestalten. Anhand umfangreicher Messungen und einer Mitarbeiterbefragung ließ sich die Wirksamkeit der ergriffenen verhaltens- und verhältnispräventiven Interventionsmaßnahmen anhand eines Vorher-nachher-Vergleichs ermitteln.
Die Ergebnisse der raumakustischen, klimatischen, ergonomischen und beleuchtungstechnischen (Um )Gestaltung der Kita hin zu einer wirksameren Gesundheitsförderung für pädagogisches Fachpersonal und die betreuten Kinder werden im IFA Report 4/2017 dargestellt. Die Erkenntnisse wurden zudem in einer Handlungsanleitung für die Praxis aufbereitet, der DGUV Information 202-106 (Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen).
IFA Report 2/2015
IFA Report 4/2017
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