In der Behindertenbeförderung, im Krankentransport, Rettungsdienst und im Bestattungswesen werden Personen befördert. Dafür müssen die Personen abgeholt, in ein Fahrzeug eingeladen und am Zielort wieder aus dem Fahrzeug ausgeladen werden. In den vier Gewerbezweigen leisten die Beschäftigten hier Hilfestellung oder bewegen die Personen ganz ohne deren Zutun. Der demografische Wandel macht sich auch hier bemerkbar, sowohl bei den Beschäftigten als auch bei den transportierten Personen. Deren steigendes durchschnittliches Körpergewicht bedeutet für die Beschäftigten zusätzlich ein wachsendes Risiko für Muskel-Skelett-Belastungen. Neben dem Tragen von Personen mit und ohne Hilfsmittel werden körperliche Belastungen des Personals auch durch das Ziehen und Schieben von Krankenbetten und Rollstühlen [1] verursacht.
An Start- und Zielort müssen Personen oft auch über Treppen transportiert werden. Mit dem dabei erforderlichen Heben und Tragen gehen hohe körperliche Belastungen für Rettungskräfte und andere Dienstleistende einher. In einer ersten Studie untersuchte das IFA in Zusammenarbeit mit der Unfallkasse (UK) NRW den Personentransport im Treppenhaus mit verschiedenen Hilfsmitteln [2 - 4]. Dazu beförderten Probanden (Beschäftigte aus dem Rettungsdienst) einen Dummy mit einem Gewicht von 75 kg durch ein Treppenhaus. Zwei konventionelle und zwei alternative Hilfsmittel wurden in diesem Forschungsprojekt hinsichtlich der Muskel-Skelett-Belastungen verglichen: Der Tragestuhl wurde mit dem Raupenstuhl verglichen und das Tragetuch mit einem Treppengleittuch. Neben der Körperhaltung und -bewegung wurden die lumbalen Bandscheiben-Druckkräfte mit dem biomechanischen Mess- und Simulationssystem "CUELA-Dortmunder" abgeschätzt.Die Messungen mit dem CUELA-Messystem zeigten, dass die alternativen Hilfsmittel im Vergleich zu konventionellen Hilfsmitteln zu einer signifikant höheren Entlastung der Probanden führen. Der Raupenstuhl "fährt" die Treppe hinab bzw. mit Motorunterstützung auch hinauf und das Treppengleittuch gleitet auf dem Schienensystem an seiner Unterseite die Treppe hinab. Die Beschäftigten werden entlastet, da sie die Personen nicht mehr - bzw. nur noch selten - heben und tragen müssen und stattdessen das Hilfsmittel steuern.
Hilfsbedürftige Personen werden im Regelfall von zu Hause oder einem Unfallort zu einem Zielort (Arzt/Schule/Krankenhaus/etc.) transportiert oder befördert und auch wieder zurück nach Hause. Verstorbene Personen werden vom Bestatter u. a. zu ihrer letzten Ruhestätte gebracht. Um mehr über die Transportwege und Problemstellen für die Beschäftigten im Bestattungswesen, im Krankentransport, im Rettungsdienst und in der Behindertenbeförderung zu erfahren, wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Das Projekt wurde im Auftrag der Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und des Fachbereichs Feuerwehren, Hilfeleistungen, Brandschutz der DGUV initiiert [5]. In Zusammenarbeit mit weiteren Partnern wie der UK NRW wurden Betriebe zur Teilnahme akquiriert. Die hohe Beteiligung von fast 4000 Beschäftigten erlaubt nun einen guten Einblick in den Berufsalltag und die Probleme beim Personentransport.
In den Antworten zeichnet sich ab, dass nur wenige der befragten Beschäftigten diese Berufe ein Leben lang ausüben. Neben den bereits untersuchten Treppentransporten wurden auch das Einladen ins Fahrzeug und – speziell in der Behindertenbeförderung – das Sichern im Fahrzeug als belastend benannt. Viele Beschäftigte klagen über Beschwerden im Rücken, in Schultern, Oberarmen und Knien nach besonders belastendend empfundenen Situationen [6,7].
Erfassung von Körperhaltungen und Aktionskräften beim Aufschaukeln und Einladen von Fahrtragen
Die Online-Befragung liefert die Grundlage für weitere messtechnische Untersuchungen. Aktuell wird ermittelt, wie unterschiedliche Fahrtragen die physischen Belastungen von Beschäftigten beim Einladen der Personen in das Fahrzeug beeinflussen. Dabei wird eine rein mechanische Fahrtrage mit einer halbautomatischen Fahrtrage und einer vollautomatischen Fahrtrage verglichen. Zusätzlich wird das Aufschaukeln der Fahrtrage untersucht. Das Aufschaukeln der Fahrtragen meint dabei, je nach Automatisierungsgrad, das wechselseitige Anheben der Fahrtrage bis auf Einladehöhe in das Fahrzeug.
Erfassung von Körperhaltungen beim Sichern von Rollstühlen
Die Online-Befragung war auch ausschlaggebend für eine weitere Studie: Die Beschäftigten in der Behindertenbeförderung nannten in der Online-Befragung häufig das Sichern von Rollstühlen als eine Problemstelle bei ihrer Arbeit. Es wurden daraufhin zwei Systeme verglichen : Rollstühle mit so genannten "Kraftknoten" – einem Sicherungsadapter am Rollstuhl – und Rollstühle ohne Kraftknoten, bei denen der Sicherungsgurt am Rahmen eingefädelt und befestigt werden muss. Das Sichern der Rollstuhlfahrenden im Fahrzeug erfolgt meist in knieender Körperhaltung durch die Fahrdienstleistenden. Die Körperhaltungen von Beschäftigten aus der Behindertenbeförderung wurden beim Sichern von Rollstühlen mit und ohne Kraftknoten gemessen.
[1] Brütting, M. et al.: Muskel-Skelett-Belastungen beim Schieben und Ziehen von Krankenbetten und Rollstühlen. Zbl Arbeitsmed 67, 64–77 (2017). https://doi.org/10.1007/s40664-016-0150-4
[2] IFA-Report 3/2019: Untersuchung der physischen Belastungen von Rettungskräften beim Patiententransport in Treppenhäusern.
[3] Aus der Arbeit des IFA Nr. 0386: Körperliche Belastung von Rettungskräften beim Patiententransport in Treppenhäusern.
[4] Schiefer, C. et al.: Auswirkungen von alternativen Hilfsmitteln auf die körperlichen Belastungen beim Patiententransport im Rettungsdienst. Z. Arb. Wiss. 76, 118–128 (2022). https://doi.org/10.1007/s41449-022-00308-8
[5] Projekt-Nr. IFA0505: Reduktions- und Präventionsansätze zu Belastungen durch Personentransport im Rettungsdienst, Krankentransport, Behindertenbeförderung und Bestattungswesen.
[6] Damit Helfen nicht zur Belastung wird. SicherheitsProfi Personenverkehr 3/2021. BG Verkehr
[7] Griemsmann, S. et al.: Physische Belastungen bei Beschäftigten in der Personenbeförderung – Ergebnisse einer Online-Befragung (nicht barrierefrei). Z. Arb. Wiss. (2023)
https://doi.org/10.1007/s41449-023-00387-1