Einstufungen von KMR-Stoffen

In den Staaten der Europäischen Union müssen Stoffe gemäß den Prinzipien eingestuft werden, die im Anhang I (PDF, 2 MB) der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) erläutert sind. Diese Verordnung ersetzt die Richtlinie 67/548/EWG.

Krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Substanzen (KMR-Stoffe) werden nach der CLP-Verordnung ausschließlich auf der Basis der wissenschaftlichen Evidenz epidemiologischer oder tierexperimenteller Befunde eingestuft, z. B. krebserzeugender Stoff der

  • Kategorie 1A: nachgewiesenermaßen krebserzeugend beim Menschen
  • Kategorie 1B: erwiesenes Tierkanzerogen mit möglicher Übertragbarkeit auf den Menschen
  • Kategorie 2: nicht ganz überzeugende Anhaltspunkte für eine krebserzeugende Wirkung am Versuchstier.

Betrachtungen zur Wirkstärke und damit zur Höhe des Risikos am Arbeitsplatz, wie sie z. B. die MAK-Kommission schon seit einiger Zeit einbezieht, spielen dabei keine Rolle. In der älteren EU-"Stoffrichtlinie" 67/548/EWG finden die CLP-Kategorien 1A, 1B und 2 ihre Entsprechung in den analogen Kategorien 1, 2 und 3.

Europäische Einstufungen

Durch die Aufnahme eines Stoffes in den Anhang VI ("Harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung für bestimmte gefährliche Stoffe") der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 wird eine offizielle und EU-weit verbindliche Legaleinstufung vorgenommen. Änderungen dieser Stoffliste werden in Form von Anpassungsverordnungen bekannt gegeben.

EU-Mitgliedstaaten, Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender können die Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung eines Stoffes in der gesamten Europäischen Union vorschlagen, indem sie ein Einstufungsdossier ("Dossier for Harmonised Classification and Labelling" – CLH) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einreichen. Diese organisiert eine öffentliche Beratung über einen Zeitraum von 45 Tagen. Zu den eingegangenen Bemerkungen können sich die Autoren des Dossiers anschließend äußern. Der Ausschuss für Risikobewertung (RAC) der ECHA, zu dem auch Fachleute aus den Mitgliedstaaten gehören, verfasst schließlich eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Übermittlung an die EU-Kommission. Unterstützt vom ECHA-Regelungsausschuss und unter Beteiligung der Mitgliedstaaten entscheidet die Kommission über die vorgeschlagene Einstufung. Auf ihrer Internetseite "Opinions of the Committee for Risk Assessment on proposals for harmonised classification and labelling" macht die ECHA sowohl die Stellungnahmen des RAC als auch die zugrundeliegenden CLH-Einstufungsdossiers zugänglich.

In Deutschland ist das Bundesarbeitsministerium federführend für die Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe verantwortlich. Die fachliche Bearbeitung von Fragen zur Einstufung aufgrund krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Effekte wurde in Deutschland der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) übertragen. Bei Diskussionen zur Einstufung von Stoffen aufgrund von KMR-Eigenschaften oder ihres allergisierenden Potenzials wird auch der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) einbezogen.

Nationale Einstufungen

Das Bundesarbeitsministerium kann auch auf direktem Weg nationale Bewertungen veröffentlichen. Dabei finden heute die Kriterien des Anhangs I (PDF, 2 MB) der CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (vorher: Richtlinie 67/548/EWG) Anwendung. Auch die Einstufungsempfehlungen der DFG-Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe (MAK-Kommission), die sich auf ein anderes Klassifizierungssystem stützt, müssen von den beratenden Gremien des zuständigen Bundesministeriums (AGS) geprüft werden.

Das Bundesarbeitsministerium publiziert seine Bewertungen für krebserzeugende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Stoffe und Tätigkeiten bzw. Verfahren in der TRGS 905 "Verzeichnis krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe" und der TRGS 906 "Verzeichnis krebserzeugender Tätigkeiten oder Verfahren nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 GefStoffV", die eine nationale Ergänzung zum Anhang VI (PDF, 2,86 MB) der CLP-Verordnung darstellen. Früher wurden die zugehörigen Begründungspapiere in einer alten TRGS 906 "Begründungen zur Bewertung von Stoffen der TRGS 905" zusammengestellt, die seit März 2001 aufgehoben ist. Soweit die Einstufungsvorschläge vom AGS stammen, sind die meisten Begründungsdokumente als " Begründungen zur Bewertung von Stoffen, Tätigkeiten und Verfahren als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend" über das Internet zugänglich. Entsprechende Begründungspapiere aus der Zeit vor dem Stichdatum 1993 fanden sich in der inzwischen ebenfalls aufgehobenen TRGS 910 "Begründungen für die Einstufungen krebserzeugender Gefahrstoffe in Gefährdungsgruppen" ([1], nicht zu verwechseln mit der aktuellen TRGS 910 "Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen"). Die Europäische Kommission wird über nationale Einstufungsvorschläge informiert, eine EU-weite Angleichung wird stets angestrebt.

In Einzelfällen ist es möglich, dass zwar eine Legaleinstufung der EU vorliegt, ein Mitgliedsstaat aber auf nationaler Ebene eine strengere Bewertung vornimmt. Die TRGS 905 listet Stoffe auf, die in Deutschland als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuft sind, aber nicht im Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 genannt sind, und darüber hinaus solche Substanzen, für die der AGS eine von der genannten EU-Verordnung abweichende Einstufung beschlossen hat. Ein komplettes Verzeichnis aller in der Bundesrepublik Deutschland eingestuften KMR-Stoffe (KMR-Liste) steht im Internet zur Verfügung.

Literatur

[1] TRGS 910 (Technische Regeln für Gefahrstoffe) "Begründungen für die Einstufungen krebserzeugender Gefahrstoffe in Gefährdungsgruppen". Gemäß Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BArbBl. (2001) Nr. 3, S. 104) aufgehoben.

Weitere Informationen:

KMR-Liste

Zugang:

GESTIS - Wissenschaftliche Begründungen

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