Hydrogencyanid (HCN), besser bekannt als Cyanwasserstoff oder Blausäure, ist eine farblose bis leicht gelbliche, brennbare, sehr flüchtige und wasserlösliche Flüssigkeit. Es weist einen charakteristischen Geruch nach Bittermandeln auf, der allerdings von vielen Menschen nicht wahrgenommen werden kann.
In der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 512 "Begasungen" wird Hydrogencyanid als Begasungsmittel aufgeführt.
Hydrogencyanid wird sowohl über den Atemtrakt als auch über die Haut aufgenommen. HCN ist dabei akut toxisch - es besteht Lebensgefahr! Selbst bei Atemschutz tragenden Personen können Vergiftungserscheinungen durch Hautpenetration auftreten.
Erste Hilfe nach GESTIS-Stoffdatenbank
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Für eine Rettung aus HCN-Atmosphäre ist im Allgemeinen schwerer Atemschutz notwendig!
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Verletzte unter Selbstschutz aus dem Gefahrenbereich an die frische Luft bringen.
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Verletzte ruhig lagern, vor Unterkühlung schützen.
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Die Patienten in halbaufrechte Position bringen.
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Bei Bewusstlosigkeit und vorhandener Atmung stabile Seitenlage herbeiführen.
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Keine Mund-zu-Mund-Beatmung durchführen.
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Sofort Arzt zum Unfallort rufen.
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Über eine Atemmaske mit Sauerstoff beatmen.
Hinweise für das ärztliche Personal zur Symptomatik der akuten Vergiftung nach GESTIS-Stoffdatenbank
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Augen:
schwache Reizung (Rötung und evtl. Corneaödem) nach Kontakt mit dem Dampf; außergewöhnlich starke systemische Wirkungen je nach Konzentration und Kontaktdauer
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Haut:
zunächst geringe Reizung durch Dämpfe/Aerosole, dann Rötung bzw. rot-weiße Marmorierung, erst durch hohe Konzentrationen und längere Einwirkungszeit: starkes Prickeln; konzentrationsabhängige systemische Effekte: dermale Exposition gegenüber Dämpfen > 1 Vol.% (10000 ppm) evtl. ab ca. fünfminütiger Einwirkungszeit tödlich (trotz funktionierenden Atemschutzes)
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Inhalation:
Schleimhautreizung, Brennen auf der Zunge, metallisch-kratziger Geschmack in Mund und Rachen; konzentrationsabhängig allmählicher bis schlagartiger Eintritt systemischer Effekte
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Resorption:
Dyspnoe, "Lufthunger", Angstgefühl, Bewusstseinstrübung, Kopfschmerzen, Schwindel, tonisch-klonische und tetanische Krämpfe, Koma; bei hohen Konzentrationen/Dosen zusätzlich zunächst Tachykardie, dann Bradykardie, Arrhythmie, Hypotension, peripherer Gefäßkollaps, Atemstillstand, Herzstillstand.
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Bei zunächst unbekannter Genese einer schweren Vergiftung wird empfohlen, die Kombination von Tachypnoe, hellrotem venösem Blut, metabolischer Azidose und zentralnervösen Symptomen (sowie ggf. wahrnehmbarem Bittermandelgeruch) als typische Symptomatik einer Vergiftung mit HCN/Cyaniden anzusehen und entsprechend vorzugehen.
Hinweise für die erste ärztliche Hilfe nach GESTIS-Stoffdatenbank
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Die Behandlung der resorptiv-toxischen Wirkungen durch Maßnahmen zur Sicherung vitaler Funktionen hat in jedem Fall höchste Priorität.
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Gegebenenfalls registrierte "topische Effekte" an Augen und Haut sollten danach symptomatisch behandelt werden (evtl. augenärztliche Hilfe hinzuziehen).
Die Intensität der Therapie sollte sich nach dem Schweregrad der Intoxikation richten:
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Grad 0
Angst, Agitation, Schwindel, Benommenheit, (evtl. leichte Dyspnoe) → Sauerstoff, Ruhe, Sedierung, Beobachtung
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Grad 1
Bewusstseinsveränderung, psychomotorische Verlangsamung → Sauerstoff, 100 ml Natriumthiosulfat 10 % i.v.
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Grad 2
Koma und/oder metabolische Azidose → Intubation, Sauerstoff (FiO2 1,0), ggf. erforderliche teilweise Blindpufferung (prähospital) mit 1-molarer Natriumhydrogencarbonatlösung, evtl. hier 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)/Thiosulfat (siehe auch Grad 3)
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Grad 3
Bewusstlosigkeit, metabolische Azidose und/oder Krämpfe, Arrhythmie, Schock → Intubation, Sauerstoff (FiO2 1,0), Azidoseausgleich, Antikonvulsiva, Methämoglobinbildung durch 3,25 mg 4-DMAP/kg KG i.v. und anschließende Thiosulfatgabe (100 ml, 10%ig, i.v.) durch die gleiche Kanüle
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Grad 4
Kreislaufstillstand → kardiopulmonale Reanimation, sonst wie bei Grad 3.